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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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gesteckt. Er hat doch diese Behinderung und einen Anfall hatte er auch. Wäre das nicht möglich?“
    „Nein“, sagte George und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist nicht möglich.“
    Neill ärgerte sich. Georges Haltung Sam gegenüber war eindeutig. Obwohl Sam eine verdammte Petze war, hielt George blind zu ihm. Dabei wäre es theoretisch tatsächlich möglich gewesen, dass Sam in seiner geistigen Verwirrung so etwas tat.
    „Wie kannst du so sicher sein?“, konterte Neill.
    „Du willst doch nicht wirklich, dass ich Sam zu dem Vorfall befrage?“, sagte George.
    Neill schwieg. Das brachte so nichts. Die Tricks, die er zu Hause anwandte, funktionierten bei George überhaupt nicht.
    Sein Onkel stand noch kurz in der Tür, dann ließ er ihn endlich allein. Neill blieb noch eine Weile auf dem Bett sitzen und dachte nach. Dann stand er auf und ging in seinem kleinen Zimmer ein wenig auf und ab. Das half beim Nachdenken. Er ging zum Fenster und sah hinaus in den Garten. Vivian beschäftigte sich bei den Blumenbeeten, zupfte Unkraut und lockerte die Erde mit einer kleinen Harke. Mit ihr zu reden würde sicher auch nichts bringen. Es war einfach super dämlich von ihm gewesen, die Zigaretten einzustecken. Und noch blöder, sich von Georges Pflegesöhnchen erwischen zu lassen. In diesem Moment ging Sam über die Wiese im Garten und Neill trat interessiert dichter an die Fensterscheibe. Sam nahm die Gießkanne und trug sie zum Blumenbeet. Er begann, die Blumen gleichmäßig zu gießen. Zwischendurch hielt er inne und goss sich selbst ein wenig Wasser über die Beine. Neill schüttelte den Kopf. Der Junge hatte einen Dachschaden und zwar einen gewaltigen. Sam beugte sich über die Blumen und ordnete mit spitzen Fingern die Blätter und Blüten. Dann strich er eine Rose fast zärtlich in Form, bevor er aufstand, um noch mehr Wasser zu holen.
    Neill lächelte und ging wieder zu seinem Bett, um einen Blick in seine EMails zu werfen. Er hatte genug gesehen.
     
     
    George betrat sein Arbeitszimmer und nahm am Schreibtisch Platz. Neill war wirklich kein einfacher Junge. Er konnte verstehen, dass Rita mit ihm überfordert war. Er griff zum Telefon und wählte Jerrys Nummer.
    „Ich bins“, sagte George und klemmte sich den Hörer ans Kinn.
    „Hey. Was gibts? Schönen ersten Einkauf gehabt?“, antwortete Jerry.
    „Wir hatten Neill dabei. Denk dir den Rest.“
    „Oh. Der klettet aber auch ziemlich an dir, kann das sein?“
    „Schon möglich. Ich hätte noch eine medizinische Frage an dich.“
    „Nur raus damit.“
    „Sam ist heute beim Einkaufen zusammengebrochen. Ich mache mir Sorgen. Früher kam er mir stabiler vor.“
    „Finde ich nicht so verwunderlich“, sagte Jerry und George hörte, dass sich sein Freund gerade einen Kaffee aufbrühte.
    „Denk mal nach. Früher hast du ihn zum Übernachten ans Meer gefahren. Er ernährt sich von irgendwas, das er sich aus dem frischen Meerwasser zieht. Ich denke, das Wasser verliert die Inhaltsstoffe oder was das ist, wenn es ne Weile rumsteht.“
    „Klingt logisch. Red weiter.“
    „Dazu kommt, dass er sich häufig bei euch dieser Verwandlung unterziehen muss, die ihm Schmerzen bereitet und Kraft kostet ohne Ende. Stell dir mal vor, du müsstest in der Wüste mit wenig Wasser auskommen und dabei ständig Sport treiben und das ohne die Nahrung, die du gewöhnt bist. Du würdest auch umkippen.“
    „Stimmt“, sagte George, aber Jerrys These beruhigte ihn nur ein bisschen.
    „Wie ich schon sagte, er verliert Gewicht. Wer weiß, wie viel tausend Kalorien er verbrennt bei einer Umwandlung. Und das schwächt ihn zusätzlich. Da reichen dann Kleinigkeiten, dass er schlapp macht. Würde uns auch so gehen. Ich glaube, er ist sehr tapfer und zeigt es euch nicht, wie es ihm geht. Denk mal an die Schusswunde, wie wenig er da gejammert hat. Er hat Übung darin, Schmerzen auszuhalten.“
    „Ja. Danke, Jerry. Was soll ich jetzt tun? Ich wäre dir dankbar für einen Rat.“
    „Ganz einfach. Fahr mit ihm drei bis viermal die Woche ans Meer und setz ihn aus. Er soll schwimmen und ein paar von diesen Algen essen und aus dem Wasser das Zeug filtern, das er braucht. Dann müsste es besser werden.“
    „Werde ich machen.“
    „Es ist auch ein Hinweis, dass das Leben an Land und dieses häufige Verwandeln nicht der Standard bei seinen Leuten sein kann, sonst würde es ihm leichter fallen. Vielleicht ist es so, dass die anderen Meermenschen sich nicht so häufig und schnell

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