Unter Menschen
aber Sam hatte eher den Eindruck, dass Bill den frechen Jungen auf dem Rücksitz gerne verprügeln wollte.
„Ich muss dringend ein paar Dinge einkaufen“, sagte Neill.
„Sag mir, was du brauchst und wir bringen es dir mit. Viel Spaß im Schwimmbad.“ George machte Anstalten, den Motor anzulassen, aber Neill blieb sitzen. Das Gefühl der Abneigung gegen diesen aufdringlichen Menschenjungen wuchs in Sam. Der Einkaufstag war akut gefährdet.
„Ihr werdet gar nicht merken, dass ich da bin. Keine Sorge! Ich weiß ja, dass du mit Sam eine pädagogische Maßnahme durchführst, George. Ich habe Verständnis dafür und bewundere deine Arbeit, ganz ehrlich.“
Georges Finger hatten das Lenkrad gepackt und seine Lippen bildeten wieder diesen schmalen Strich.
„Wenn du so viel Verständnis hast, dann beweg dich jetzt zum Wagen und wir fahren ins Schwimmbad. Lass George mit Sam fahren. Los jetzt.“ Bill klopfte auf das Autodach.
„Habe ich meine Chlorallergie erwähnt?“, fragte Neill. „Ich wollte das nicht so rausposaunen, aber ich darf nicht in gechlortem Wasser schwimmen. Das wird sonst unschön.“
„Wir können auch woanders hin fahren“, sagte Bill gefährlich. „Was möchtest du denn gerne machen?“
Man konnte spüren, welche Überwindung es ihn kostete, höflich zu bleiben. Neill sah lächelnd von einem zum anderen.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte man glauben, ihr wollt mich loswerden“, sagte er. „Gibt es hier irgendwas, das ich wissen sollte? Hat das was mit eurem Pflegefall hier zu tun?“
George atmete langsam aus.
„Danke, Bill“, sagte er. „Wir fahren. Mach die Tür zu.“
„Ganz sicher?“, fragte Bill.
„Wir fahren jetzt“, wiederholte George. Bill zuckte die Achseln und schlug die Tür zu. Neill fuhr zusammen.
„Wow. Man könnte meinen, der ist sauer auf mich, weil ich nicht mit ihm fahre. Anscheinend mag er mich lieber, als ich dachte!“ Er lachte laut und etwas albern. George gab Gas und warf einen Seitenblick auf Sam, der den Kopf gesenkt hielt. Die Enttäuschung konnte man ihm deutlich ansehen und George fühlte Wut auf Neill und auf sich selbst. Sam enttäuscht zu sehen, war ihm fast unerträglich. Der Junge äußerte selten einen Wunsch und dieser Einkaufstag war für Sam ein wichtiger Schritt, ein Vertrauensbeweis, eine Bewährungsprobe. George musste seinen Neffen loswerden. Früher oder später kam sonst alles heraus. Er nahm sich vor, heute noch seine Schwester wegen Neill anzurufen.
Langsam ließ George den Wagen in eine Parklücke rollen und hielt an. Sam blinzelte kurz zum ihm hoch. Die ganze Fahrt über war kein weiteres Wort zwischen ihnen gefallen, während Neill gelegentlich die Fahrweise anderer Verkehrsteilnehmer kommentierte. So hatte sich Sam seinen ersten Einkauf sicher nicht vorgestellt. George startete einen letzten Versuch, die Sache zu retten.
„Ich gehe mit Sam die Haushaltseinkäufe erledigen. Du kannst deine eigenen Wege gehen und alles kaufen, was du brauchst. Wir treffen uns dann hier am Wagen wieder.“
„Keine Sorge!“ Neill öffnete die Tür. „Ich bin ganz unauffällig. Du kannst deine Therapie mit Sam ungehindert durchführen. Ich störe euch bestimmt nicht.“ Er stieg aus und warf die Tür zu.
„Was denn für eine Therapie?“, fragte Sam. „Wozu machen wir die?“
„Gar nicht“, antwortete George. „Wir müssen unseren gemeinsamen Tag ein anderes Mal nachholen. Es tut mir leid.“
„Du kannst nichts dafür“, sagte Sam. George strich ihm über den Kopf.
„Denk an deine Trinkflasche.“
Sam nickte und zeigte auf die kleine Umhängetasche an seiner Schulter. Dann stiegen sie aus.
Neill stand noch neben dem Wagen und in seinen Augen sah George, dass es keine Chance gab, ihn loszuwerden. Was war nur los mit dem Jungen, dass er einen so penetranten Charakter entwickelt hatte? Ritas Eheprobleme waren legendär, und George führte deshalb viele Gespräche mit seiner Schwester. Neill hatte eine Menge von seinem Dad geerbt.
George schob einen Einkaufswagen vor sich her und Sam hielt sich dicht neben ihm. Neill folgte den beiden in lässigem Schritt und sah sich betont nach rechts und links um, als würden ihn die Werbeschilder des Kaufhauses brennend interessieren.
Sam konzentrierte sich auf seine Atmung. Er musste gleichmäßig Luft holen. Bei großer Aufregung schaltete er manchmal unbewusst auf Kiemenatmung um und merkte das erst, wenn ihm schwindelig wurde. Dies hier war so
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