Unter Menschen
euch“, antwortete Sam, damit er nicht auf diese Andeutung eingehen musste. In diesem Moment schwor sich Sam, sein Ziel zu erreichen. Er würde ein großartiges Geschenk besorgen. Heute noch.
Der Abwasch war fertig und Sam hatte sich heute besonders beeilt beim Abtrocknen. Er registrierte, dass Vivian ihn im Auge behielt, wenn George nicht im Raum war. Bestimmt gab es Absprachen zwischen den beiden. Um keinen Verdacht zu erregen, verhielt sich Sam betont lässig, was ihm angesichts seiner Aufregung schwerfiel. Er schlenderte wie beiläufig in den Garten und sah sich Vivians Beete an. Sein eigenes Beet mied er, denn der Schmerz über die toten Blumen saß noch zu tief. Während er unauffällig einige Blätter ordnete, warf Sam einen Blick die Straße hinunter. Er versuchte, sich an den Weg zu erinnern, den George mit dem Auto nahm, wenn sie zum Meer fuhren, um ein Nicht-Angreif-Training zu absolvieren. Es dauerte nicht lange, zur Küste zu fahren, aber Autos bewegten sich schnell und Sam konnte kaum einschätzen, in welcher Zeit er diese Strecke zu Fuß zurücklegen konnte. Ungefährlich war so eine Wanderung auch nicht gerade. Wenn er unterwegs schlappmachte ... oh ja, das konnte sehr übel enden. Er seufzte und glaubte gleichzeitig, dass sie ihn vom Küchenfenster aus beobachteten. Er musste sich weiter ganz natürlich verhalten. Um nicht tatenlos herumzustehen, ging Sam zur Gießkanne und füllte sie. Dann wässerte er die Beete und grübelte, während er gelegentliche Blicke die Straße hinauf und hinunter warf. Es musste eine Möglichkeit geben, zum Meer zu gelangen – es musste!
Neill beobachtete Sam von seinem Zimmer aus. Er ärgerte sich, dass Sam so schnell wieder zurechtkam nach dem Blumendebakel. Es war schwierig, den ungewöhnlichen Jungen richtig einzuschätzen. Und noch etwas nagte an ihm. Seine Methoden, zu Hause seinen Willen mit raffiniertem Charme und einer Prise gespielter Naivität durchzusetzen, liefen bei Vivian und George einfach ins Leere. Seine Mutter hätte ihm die Geschichte mit den Blumen sofort abgekauft und seinen angeblich guten Willen mit der eigentlichen Frechheit zu Neills Gunsten gegengerechnet. So lief es immer und Neill war daran gewöhnt.
Die Cunnings funktionierten leider nicht nach seinen Plänen und darauf würde er sich einstellen müssen. Seit gestern schnitten sie ihn ein wenig. Das spürte er deutlich. Man konnte ihm keinen direkten Vorsatz nachweisen, aber alle wussten darum. Laine ging ihm sowieso aus dem Weg und vor Bill hatte er sogar ein bisschen Angst. Sam hasste ihn mit großer Sicherheit. George brachte pädagogisches Verständnis für ihn auf, aber er zollte ihm keine Anerkennung. Zuletzt blieb noch Vivian, die ihm höflich begegnete, aber Neill erwartete nicht, dass sie lieber mit ihm statt mit Sam zu den Blumenbeeten ging. Er wurde geduldet, mehr nicht. Trotzdem wollte Neill keinesfalls wieder nach Hause. Lieber ungeliebt in Georges Haus, als in dem ewigen Streitpfuhl seiner Familie. Er beneidete seinen älteren Bruder, der schon vor über einem Jahr ausgezogen war. Dummerweise konnte er selbst noch nicht das Weite suchen, obwohl er sich selbstständig genug fühlte, um allein zu wohnen. Seine Mum sah das natürlich nicht so. Dummerweise hatte er es schon falsch angefangen, als er zu George ins Haus geplatzt war. Ein tränenreicher Anruf von unterwegs wäre wohl die erfolgreichere Methode gewesen. Zu spät. Jetzt konnte er nur noch das Beste rausholen und vielleicht sogar einen Weg finden, alles zu seinen Gunsten zu wenden. Der dumme kleine Sam stellte das ärgerlichste Hindernis bei seinem Plan dar. Ohne ihn und den bedingungslosen Rückhalt, den er von den Cunnings erhielt (völlig unverdient, nach Neills eigener Meinung), würden seine Chancen um ein Vielfaches steigen.
Der Fokus stimmt nicht , würde sein eigener Dad jetzt sagen.
Der Fokus lag auf Sam. Aber das konnte man ändern.
Neill beobachtete, wie Sam zum Gartentor schlenderte und unauffällig den Riegel berührte. Dann drehte er sich plötzlich wie ertappt herum und Neill konnte Vivian sehen, die über den Rasen auf Sam zuging. Sie sagte etwas und Sam schüttelte den Kopf. Er wirkte schuldbewusst, fand Neill. Vivian redete kurz mit Sam, dann nahm sie ihn an der Hand und führte ihn zum Haus.
Wie ein Kleinkind. Nicht zu fassen.
Neill verließ seinen Fensterplatz und machte sich auf den Weg zur Küche. Aus dieser Beobachtung konnte man eventuell etwas machen. Und damit den Fokus
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