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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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verwandeln können wie er. Vielleicht ist er wie ein Hochleistungssportler, der besonderen Belastungen standhält, die kaum jemand seiner Rasse ertragen kann.“
    „Interessante Theorie“, sagte George und war dankbar, dass er in Jerry einen Gesprächspartner zu dem Thema fand.
    „Angenommen, er und sein Onkel sind besonders widerstandsfähig und können in einer Umgebung überleben, die andere Meermenschen recht schnell töten würde, dann ist dein junger Fischsohn eben besonders hart im Nehmen und es wäre normal, dass er seinen Körper strapaziert. Du musst nur darauf achten, dass er nicht zu schwach wird, bis er sich an das Landleben gewöhnt hat.“
    „Du meinst, er könnte sich gewöhnen?“
    „Schon möglich. Etwa so, wie sich jemand an das feuchtheiße Klima Indiens gewöhnt.“
    „Das beruhigt mich jetzt doch etwas.“
    „Ja, bleib mal locker! Hat Jack dir die Papiere gebracht?“
    „Ich bekomme sie noch heute.“
     
     
     
    Gegen Abend betrat Sam das Wohnzimmer, um seinen Notizblock zu holen. Neill saß auf dem Sofa und hatte den Fernseher eingeschaltet. Sam sah nicht hin. Der Fernseher kam ihm immer noch unheimlich vor, da er ganz plötzlich und ohne Vorwarnung schreckliche Dinge zeigen konnte. Er griff nach dem Block und stutzte. Sam brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was er sah. In einem schlanken Gefäß auf dem Tisch standen abgeschnittene Blumen. Seine Blumen. Ein Klagelaut löste sich aus seiner Kehle und Sam fühlte, wie ihm die Beine wegknickten. Er sank auf den Boden und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    „Was ist denn?“, fragte Neill unschuldig. George stürzte ins Zimmer und ging neben Sam in die Knie.
    „Was ist passiert?“
    „Meine Blumen! Sie sterben! Jemand hat sie abgeschnitten!“, schluchzte Sam. „Sie sterben alle!“
    George nahm Sam in die Arme und hielt ihn fest. Vivian betrat eilig das Wohnzimmer und sah George fragend an, der mit einer Kopfbewegung auf die Blumen aufmerksam machte.
    „Neill, warst du das etwa?“, fragte sie, während Sam in Georges Armen weinte. Neill hob die Brauen.
    „Sorry, war das jetzt schlimm oder so? Ich wollte dir ne Freude machen. Sieht doch top aus und die wären eh bald verblüht. Kann ich das wissen, dass Sam da nicht drauf klarkommt?“ Er wandte sich wieder dem Fernseher zu.
    „Ich gehe mit Sam in die Küche“, sagte George und half dem schluchzenden Jungen auf die Beine. Vivian nahm die Blumen vom Tisch und öffnete die Verandatür. Neill nahm an, dass sie das Grünzeug zum Komposthaufen brachte. Zufrieden schaltete er in ein anderes Programm.
    „Strafe muss sein“, murmelte er.
     
     
    George reichte Sam, der mit gesenktem Kopf am Tisch saß, ein Glas mit Wasser.
    „Er hat die Blumen umgebracht!“, stieß er hervor. „Neill ist ein Blumenmörder!“
    „Trink etwas“, sagte George. Sam fauchte und trank einen Schluck aus dem Glas, das er fast aggressiv wieder abstellte. Er fauchte wieder. George beobachtete ihn besorgt. Sam reagierte selten wütend auf ein Ereignis oder eine Person, wenn er an Land war. Die Situation spitzte sich langsam zu. Er hatte mit Rita telefoniert und sie hatte ihn fast kniefällig gebeten, Neill noch bei sich zu behalten. Sie hatte Stress mit Neills Vater und es war von Scheidung die Rede. Rita bat George um Verständnis. Wie immer. George erwog, Bill zu fragen, ob Neill eine Weile in seiner Wohnung unterkommen könnte, aber das war ziemlich viel verlangt.
    Vivian kam in die Küche und stellte die leere Vase in die Spüle.
    „Sam, es tut mir so leid für dich“, sagte sie. Sie beugte sich zu ihm herab und nahm ihn in den Arm. Sam schmiegte sich an sie.
    „Du hast dich so gut um die Blumen gekümmert. Wir beide werden ein neues Beet anlegen und davor kommt ein großes Schild, dass niemand die Blumen anrühren darf. In Ordnung?“
    Sam nickte.
    „Neill ist einer von den bösen Menschen“, sagte er leise. Vivian wechselte einen Blick mit George.
    „Das wird ja ein toller Geburtstag“, sagte sie. „Kann deine Schwester nicht ein bisschen mehr Rücksicht auf uns nehmen? Es ist auch für Sam der erste Familiengeburtstag. Es wird mit Neill zusammen zehnmal schwieriger sein.“
    „Geburtstag?“, fragte Sam, plötzlich hellhörig geworden.
    „Wir haben dir das nicht erzählt, damit du dich nicht so aufregst. George hat übermorgen Geburtstag.“ Vivian wandte sich an ihren Mann. „Wir müssen es ihm sagen. Wenn er sich vorbereiten will, ist das sonst unfair.“
    George konnte

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