Unter Menschen
Arbeitszimmer lebte, wo doch dieses Zimmer frei stand.
„Hat deine Krankheit eigentlich einen Namen?“, fragte er Sam und klappte sein Notebook auf.
„Welche Krankheit?“, fragte Sam und starrte auf das Gerät auf Neills Knien, dass jetzt ein kurzes Piepsen von sich gab.
„Na ja, das, was du hast. Weshalb du hier bist. Was wurde denn bei dir diagnostiziert?“ Neill drückte auf den Tasten herum und Sam trat näher. Das Notebook schien ihn zu interessieren.
„Jerry sagt, ich bin nicht krank.“
„Aber so was wie der Anfall im Supermarkt, das kann dir doch wieder passieren, oder? Nicht, dass wir unterwegs sind und du kriegst so nen Anfall.“
„Unterwegs?“, fragte Sam.
„Ja, was glaubst du, was ich hier mache? Das sind die Busfahrpläne. Online. Du wolltest doch zum Meer oder nicht? Da fahren Busse hin.“
„Ja“, sagte Sam und wirkte plötzlich sehr lebhaft. „Mit Laine bin ich auch schon mal zum Strand gefahren mit dem Bus. Es stimmt, die fahren alle zum Strand!“
„Alle nicht, das ist ... ach, scheißegal. Hier, in etwa zwei Stunden gibt es einen. Den können wir nehmen. Am Sonntag fahren die nicht so oft.“
Sam gab ein kehliges Geräusch von sich und Neill sah, dass er ganz rot angelaufen war.
„Kipp mir hier nicht aus den Latschen mit deinen komischen Anfällen, klar?“
Sein Plan war perfekt. Neill legte sich bereits im Geiste Sätze zurecht und dachte sich Szenarien aus, die er George schildern konnte. Sam, der heimlich davonlief. Er, Neill, der ihn an der Bushaltestelle einholte, auf ihn einredete, doch vernünftig zu sein. Aber Sam ließ nicht mit sich reden, war für kein Argument zugänglich ... und stieg in den Bus. Natürlich folgte Neill, der dummerweise sein Handy im Zimmer liegengelassen hatte, dem jugendlichen Ausreißer, immer noch auf ihn einredend ... ja, das war gut. Sehr gut. Wenn er es schaffte, seine Version glaubwürdig klingen zu lassen, dann konnte er den Fokus drehen. Dann hieß die Überschrift nicht mehr „Sam, das arme Heimkind“, sondern „Neill, der vernünftige Retter des verwirrten Pflegesohns“. Im Geiste malte er sich aus, wie George sich die beiden Geschichten der Jungs anhörte.
„Ich konnte ihn gerade noch stoppen, George. Er rannte kopflos den Strand entlang“, würde Neill mit ruhiger Stimme berichten. „Ich glaube, er wollte einfach nur abhauen. Auf mich hat einen sehr verwirrten Eindruck gemacht. Vielleicht hat er ja wieder einen toten Fisch gesehen und ist dann richtig durchgedreht ...“
Sam konnte dann nur mit rotem Kopf dagegen stottern, dass er Strandgut für Georges Geburtstag hatte sammeln wollen. Nicht sehr glaubwürdig. Und wenn George ihm, Neill, immer noch nicht glauben sollte, dann zog er einfach den nächsten Trumpf aus dem Ärmel.
„Eigentlich wollte ich das hier ja für mich behalten, aber ich glaube, du musst das sehen ... ich bin froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Sieh dir das an, George. Sam war einfach nicht mehr er selbst ...“
Neill steckte die flache Digitalkamera in seine Hosentasche. Damit konnte man kleine Filme aufnehmen. Ein kurzer Filmausschnitt, in dem Sam am Strand einen Anfall hatte, durchdrehte, das wäre ideal. Ein unschlagbarer Beweis für Neills Aussage und ein fokusdrehender Moment. Neills Stimme auf dem Film, beschwichtigend, Vernunft predigend. Ja. Das war es.
Neill fühlte sich prächtig, als er die Stufen zum Wohnzimmer hinunter schritt.
Sam saß aufgeregt auf dem Sofa und tat so, als würde er sich Notizen machen. Er wusste, dass er und Neill etwas Heimliches, Verbotenes tun würden. Der Preis für das tolle Geschenk war hoch. Aber vielleicht konnte George genau das würdigen. All die Überlegungen, die Anstrengungen, das Risiko. Nur für ihn.
Sam überlegte, ob er es ertragen konnte, wenn George wütend auf seinen geheimen Ausflug reagieren und dann streng mit ihm sprechen würde. Der bekannte Schmerz regte sich in seiner Brust. So fühlte er sich immer, wenn er mit George nicht im Reinen war. Dabei war im Moment noch alles in Ordnung, noch hatte er kein Unrecht begangen, kein Verbot übertreten. Noch gab es ein Zurück. Aber ein Zurück bedeutete kein Geschenk.
Neill steckte den Kopf zur Tür herein und gab ihm ein Zeichen. Vivian hielt sich gerade in den oberen Räumen auf und George musste den Tag in seinem Arbeitszimmer verbringen und vorarbeiten wegen des Geburtstages. Laine und Bill waren nicht da. Den Moment mussten sie nutzen.
Sam folgte Neill in den Garten. Ein wenig
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