Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Sternenjägern

Unter Sternenjägern

Titel: Unter Sternenjägern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
krümmten sich über ihren Körper. Er stand neben Hodar in der Mitte des Hofes, stand neben der Mutter Brunnen, wartete auf die Segnung Meme Kalamahs. Ein stattlicher, starker, hübscher Mann.
    Ihre Hand bewegte sich über ihr Gesicht, dann an ihrem Hals entlang herunter. Wir waren glücklich, dachte sie. Zügellos glücklich. Zärtlich zueinander. Damals war es für mich Zauberei, wie sehr er mich kannte. Ich habe es nicht gemerkt … Ihre Hand fiel auf die Bettdecke hinunter. Sie streichelte den steifen Stoff, machte dann eine Faust. Ich mußte ihn fragen, dachte sie. Und er mußte es mir sagen, FÜHLEN . Die schlimmste Schändung. Und ich konnte nicht damit fertig werden. Unser erster Streit. Sie schloß die Augen und lag ganz still. Der erste von vielen. Wenn er mich nur von hier weggebracht hätte. Er hätte es gekonnt. Es war so leicht für ihn. Er hätte nicht bleiben müssen. Ah, Meme Kalamah, wie ich ihn dieses erste Mal vermißt habe. Und all die anderen Male. Warum hat er nicht … Sie setzte sich auf. Ich kann nicht hierbleiben. Zu viele Erinnerungen.
    In der Dunkelheit vor ihrem Zimmer zögerte sie. Sie war erschöpft, doch ihre Gedanken wirbelten in engen Kreisen. Sie rieb ihre Hand über die Stirn, zog sie dann herum und rieb an ihrem Genick. Etwas … Die Höhen riefen sie, sie spürte den Zug, als wären Drähte an ihren Schultern befestigt. Hastig eilte sie zur Treppe und rannte in den vierten Stock hinauf, in das Schlafgemach-Stockwerk. Sie huschte den Korridor entlang, zur letzten Treppe, die zum Dach hinaufführte.
    Und blieb stehen – die Hand zu den warnenden Masken an den Endbalken ausgestreckt, jedoch ohne sie zu berühren. Der Zug an ihr wurde stärker, fast ein Zwang, der ihr befahl hinaufzusteigen, auf das Dach hinauszustürmen. Wenn sie dem Tabu zum Trotz den Fuß auf diese letzte Treppenflucht setzte, dann gab es kein Zurück mehr. Sie hob den Kopf, entsetzt und erheitert. Sie fühlte, wie ein Schicksal sie rief, ein Gefühl von etwas Gewaltigem, das auf sie wartete. Sie stieß ihre Hand nach vorn und stach die Finger in die geschnitzten Augen der Maske. Sie lachte und betrat die Treppe. Die verbotene Treppe. Sie lief sie hinauf, fühlte sich wolkenleicht, als hätte sie eine unsichtbare Last abgeworfen.
    Das Dach war flach. In der Mitte stand Kobes Schrein, Kisimas Machtzentrum, das Himmels-Gegenstück zu Meme Kalamahs Erdherzen im Hof. Der große Steinturm, der sich neben dem Dach erhob, war die Zisterne. Wasser wurde vom Brunnen hochgepumpt. Durch eine Reihe von Prallwänden, die Staub, Sand, Äste, Zweige fernhielten, fing sie auch Regenwasser auf. Sie fragte sich kurz, wieviel noch darin war. Aber der Schrein zog sie stärker an. Sie ging zur Tür und zog sie auf, fühlte sich wagemutig und stark genug, mit allem fertig zu werden. Im Innern saßen – von einer niederen Einfassung umgeben – fünf Machtsteine im Silbersand. Dort gab es ein Steinbecken, das mit Regenwasser gefüllt gehalten wurde, und einen Kürbis-Eimer, der daneben hing. Diese wurden dazu benutzt, um die Steine zu erwecken. Soviel wußte sie, obwohl die eigentlichen Zeremonien geheim waren. Sie blickte sich um, andere Einzelheiten blieben in den Schatten verborgen, und sie verspürte kein Bedürfnis einzutreten, um weiter nachzuforschen. Sie schloß die Tür und schlenderte zu dem breiten Gehweg hinüber, der um die Außenseite des fünfeckigen Daches herumführte. An dem hüfthohen Geländer blieb sie stehen, sah über das Anwesen hinaus nach Südosten und fragte sich, ob Manoreh sein Gespenst schon geschluckt hatte. Er kam ihr jetzt selbst wie ein Geist vor, ein Teil ihrer Vergangenheit. Sie umrundete das Dach Richtung Westen. Der Mungivir-Fluß glitzerte silbern im Licht des Mondringes. Die langen, biegsamen Zweige des Uauawimbony bewegten sich leicht. Das unruhige Klappern, das an ihre Ohren wehte, wurde vom Wispern des Windes beinahe verschluckt. Nichts anderes bewegte sich. Es überkam sie wie Worte im Wind, daß die alten Sitten tot waren. Egal was passierte, für sie waren die alten Sitten tot. Wieder fühlte sie die verwirrende Kombination aus Erregung und Angst. Und auch ein Gefühl des Verlusts.
    Ihre Hände umklammerten das Geländer, sie ließ sich auf die glatten Planken hinunter, lockerte dann ihren Griff. Es gab gute Zeiten … das Teilen mit ihren Schwestern … die kleinen Glückseligkeiten … der Strenge ihrer Ausbildung zu entkommen – in den warmen, freundlichen Lärm der Küche, um

Weitere Kostenlose Bücher