Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Inzwischen hätte er sich ja wohl doch gemeldet. Hoffe ich“, sagt die Universitätsprofessorin. Sie tut mir leid. Es ist grauenvoll, wenn jemand von heute auf morgen weg ist. Einfach so. Man hat tausend Vermutungen, tausend Ängste und kann nichts tun. Außer warten und hoffen.
Stepanovic freut sich, mich zu einem „kurzen Gedankenaustausch“, wie er es nennt, zu treffen. Leider habe er einen überaus vollen Terminkalender, also wäre es nett, wenn ich ihn in seinem Büro besuchen würde. Warum nicht? Sie werden mich dort schon nicht kidnappen.
„Pure Energy“ ist in einem der schicken neuen Bürotürme nahe der Alten Donau untergebracht. Ich werde von einer Hostess mit dem Lift in die „Chefetagen“ gebracht. Vierzehn Stockwerke in einem gläsernen Aufzug nach oben und ich stehe in einem lichtdurchfluteten großen Raum. An ihm scheint selbst das kalte Wetter abzuprallen. Stepanovic steht auf, kommt mir aber nicht entgegen. Ich gleite über einen cremefarbenen flauschigen Teppich im Ausmaß eines Basketballfelds. Der Schreibtisch des Connecting Managers ist aus edlem Holz und riesengroß. Nicht eben gemütlich, aber perfekt, um Eindruck zu schinden.
„Was für ein Büro“, sage ich und lächle. Ich will Informationen von ihm, also werde ich freundlich sein.
Er schüttelt mir die Hand. In die Wand hinter dem Schreibtisch sind zehn, zwölf Monitore eingelassen. Sie zeigen, offenbar in Echtzeit, Kraftwerke in Betrieb.
„So weiß ich, wofür ich arbeite“, erklärt Stepanovic, der meinem Blick gefolgt ist. Wir gehen zu einem Tisch direkt an der Panoramafront des Büros. Ein Viertelkreis aus Glas, durch den man auf die Donau, auf Teile Wiens und den Kahlenberg sehen kann.
Er hat Kaffee vorbereiten lassen. „Espresso, ganz stark – erinnere ich mich richtig, dass Sie den mögen?“, sagt er.
Haben wir beim Abendessen in unserer Wohnung darüber gesprochen? Kann schon sein. Ich nicke und nehme einen Schluck. So muss Kaffee schmecken. Er sieht auf die Uhr.
„Einverstanden, wenn ich gleich zur Sache komme?“, frage ich.
„Sie können nur schreiben, was ich freigebe.“
Ich nicke. „Nationalratsabgeordneter Zemlinsky war in der Frankfurter Zentrale von ‚Pure Energy‘. Wissen Sie, was er dort gemacht hat?“
Stepanovic starrt mich an. Damit hat er offenbar nicht gerechnet. „Kann ich mir nicht vorstellen. Da sollten Sie meine Kollegen in Frankfurt fragen.“
„Er war im Büro für ‚Internationale Angelegenheiten‘. Ist das nicht Ihr Bereich? Wie eng sind Zemlinskys Kontakte zu ‚Pure Energy‘?“
„Liebe Frau Valensky“, sagt Stepanovic, „natürlich weiß ich, was die Opposition versucht, Zemlinsky anzudichten. Aber so plumpe Versuchsballons hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Selbstverständlich informieren wir den Energieausschuss des Nationalrats, wenn man Fragen an uns hat. Aber die dort machen die Gesetze und wir halten uns daran. That’s it. Ihnen ist hoffentlich klar, dass Ihre seltsamen Verdächtigungen Auswirkungen auf unsere Gespräche mit Ihrem Mann haben könnten. Wir müssen uns auf die Loyalität unserer Mitarbeiter zu hundert Prozent verlassen können. Gerade in Zeiten wie diesen.“
Ich versuche so cool zu bleiben wie mein Gegenüber. „Lieber Herr Stepanovic: Ich pflege keine Ballons steigen zu lassen. Ich habe einen Zeugen. Und die Sippenhaftung ist zum Glück seit langem abgeschafft. Sie können sicher sein: Mein Mann hält sich an die Verschwiegenheitspflicht – falls er das Angebot Ihres Unternehmens annimmt. Wobei ich ihm sicher nicht dreinreden werde.“
Stepanovic steht auf. „Das ist aber schön. Leider ist der Kaffee getrunken und die Zeit ist um. Oder wollten Sie sonst noch etwas wissen?“
Ich erhebe mich ebenfalls. „Was halten Sie von dem YouTube-Video, das ich im letzten Heft veröffentlicht habe? Waren die Internationalen Energiegespräche in Tirol nett?“
Er lächelt spöttisch. „Der Anzug hat mir nicht besonders gut gestanden. Ich habe ihn seither nicht mehr getragen.“
„Gruber ist für Sie zum Sicherheitsrisiko geworden. Was hat er eigentlich damit gemeint: ‚Gemeinsam werden wir die Welt erobern‘?“
„Was weiß ich, Sie haben ja gesehen, dass er betrunken war und dass ich versucht habe, ihn zum Niedersetzen zu bewegen. Ich finde es übrigens einigermaßen pietätlos, das Video zu veröffentlichen, jetzt, wo er verschwunden ist.“
„Ach“, sage ich, „ist er tot? – Und eine allerletzte Frage: Was werden Sie tun, um die
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