Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
die Hausdurchsuchung eine Menge Ärger hattet“, meint Fran.
„Und was, wenn Polizei kommt und erkennt, dass du einer von den ‚Cybersolar‘-Leuten bist?“, fragt Carmen.
„Erstens bin ich keiner von ‚Cybersolar‘. Zweitens bin ich ja nicht zur Fahndung ausgeschrieben: Wenn nicht die Gleichen auftauchen, die bei mir in der Wohnung waren, kennen sie mich nicht. Und drittens: Zur Not kann ich mich verdrücken.“
Klingt eigentlich ganz vernünftig. Fran hat eine Menge von Vesna gelernt.
„Dann du kannst auch gleich nachsehen, ob wirklich welche von ‚Cybersolar‘ dort sind und was sie tun“, findet Vesna.
Fran runzelt die Stirn. „Wie oft soll ich das noch sagen? Ich kenne die Leute nicht, ich kenne nur ein paar der Namen, die sie im Internet verwenden. Und ich werde sicher keine Aktivisten bespitzeln, nur dass das klar ist.“
„Und wenn sie sind kriminell?“, fragt seine Mutter.
„Dann werde ich es euch erzählen. Aber ich schaue in erster Linie, dass ich an Tina Bogner dranbleibe. Okay?“
„Mit deinem Charme wirst du sie sicher sofort weich kriegen“, frotzelt ihn Carmen.
Ich atme durch. Hole noch einmal tief Luft. Wir sind wieder im Alltag angelangt. Üblicherweise habe ich es nicht so mit den Wiederholungen des täglichen Lebens, aber jetzt erscheinen sie mir wundervoll. Und sicher. Und: Ich darf auch das mit Oskar teilen.
[ 12. ]
Plötzlich ist es kalt geworden in Wien. Das Gewitter hat einen Wetterumschwung gebracht. Es ist Anfang Oktober und die Schneefallgrenze ist auf tausendzweihundert Meter gesunken. Auf der Terrasse messe ich in der Früh acht Grad. Immerhin über null. Mir kann das wenig anhaben. Wir haben eingeheizt. Oskar ist da. Das Wochenende über musste er arbeiten, so ist das eben, wenn man eine kleine und dafür unabhängige Anwaltskanzlei hat. Er hat es teilweise von zu Hause aus getan. Es hat keine neuen Anschläge gegeben.
„Cybersolar“ hat lediglich den Stromausfall in Wien kommentiert:
„Das ist erst der Anfang! Es geht auch anders.“
Schon wieder dieser Satz. Wovon ist es der Anfang? Wann geht es richtig los? Was haben sie vor? Wie weit sind sie bereit zu gehen? Die Innenministerin fordert „im Kampf gegen Internetkriminalität eine stärkere Vernetzung von Staat und privaten Unternehmen“. Man müsse „über eine Kultur des vertrauensvollen Austauschs sicherheitsrelevanter Informationen reden“. Was bedeutet das? Freiwillige Überwachung, die noch über die Vorratsdatenspeicherung hinausgeht? Wer wird da überwacht? Wie wird es kontrolliert? Ein „Cybersecurity“-Plan soll erarbeitet werden.
Fran hat bei „PRO!“ als unbezahlter Aktivist angeheuert. Es war gar kein Problem, offenbar sind sie froh über jeden, der mithilft. Ich kaufe eine lange Laufhose und eine wetterfeste Jacke und bringe trotzdem nicht die Energie auf, bei diesem Wetter zu joggen. Wenn ich nur wüsste, was Zemlinsky im Frankfurter Büro von „Pure Energy“ gemacht hat. „Internationale Zusammenarbeit“. Der Vorsitzende des parlamentarischen Energieausschusses besucht ein großes Energieunternehmen. Weil er Informationen aus erster Hand will? Worüber? Ich könnte schreiben, dass er dort von verlässlichen Zeugen gesehen worden ist. Und warten, wie er darauf reagiert. Was, wenn er mich klagt? Oskar müsste glaubwürdig genug sein. Ob wir eine Bestätigung von „Pure Energy“ für seinen Besuch bekommen? Keine Ahnung.
Carmen will mit Oskar essen gehen und ihm bei dieser Gelegenheit von ihrer Beziehung zu Hohenfels erzählen. Sie fragt mich, was ich davon halte. Offenbar ist die Sache zwischen ihr und dem Manager ernster, als ich dachte. „Eine gute Idee“, sage ich. Besser, als ich muss es ihm beichten. Und dazusagen, dass ich schon eine ganze Zeit lang davon weiß. Bald läuft Carmens Praktikantinnenvertrag aus.
Stepanovic ist als Connecting Manager zuständig für internationale Beziehungen. Vielleicht sollte ich ihn fragen, was Zemlinsky in Frankfurt gemacht hat. Was kann es schaden? Lügt er, werde ich es merken. Bestätigt er es mir in irgendeiner Form, wird meine Story besser. Vor allem, weil Zemlinsky ja schon bisher allzu große Nähe zur traditionellen Energielobby nachgesagt wurde.
Gruber bleibt verschwunden. Ich telefoniere mit seiner Lebensgefährtin. Nein, es gäbe nichts Neues. Ob sie immer noch glaube, dass ihn die von „Pure Energy“ irgendwo versteckt hielten, damit er keinen Schaden anrichte? „Ich weiß es nicht, ich bin da zunehmend unsicher.
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