Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
gefragt, ob ich kurz telefonieren darf.“
Wir trinken Cabernet Sauvignon, im kleinen Eichenfass gereift, ein Spitzenwein von Eva Berthold, mit dem sie schon viele Preise gewonnen hat.
„Und warum hast du den Flug versäumt?“, frage ich schließlich.
„Das ist jetzt meine Geschichte … eine spannende Geschichte, glaube ich.“
„Mach nicht so lange, Oskar“, murrt Vesna.
„Na gut. Ich war bei ‚Pure Energy‘ in Frankfurt. Ein Kollege meiner Partnerkanzlei hat mir dazu geraten.“
Ich unterbreche ihn. „Etwa der Typ, mit dem du offenbar gearbeitet hast und der zu mir gesagt hat: ‚Gönnen Sie ihm doch ein wenig Freiraum, Frau Valensky‘?“
„Was, ihr habt sogar in Frankfurt angerufen?“
Ich nicke.
„Nein, ich glaube nicht, dass der das war. Es war Kempner, du hast ihn einmal kennengelernt, Mira. Egal. Er hat gemeint, ich solle doch einfach mit dem Leiter der Rechtsabteilung reden, dann könne ich mir ein besseres Bild machen. Ich habe das für eine gute Idee gehalten, also bin ich zu ‚Pure Energy‘ und habe mit ihrem Chefjuristen gesprochen.“
„Und? Was hat der getan?“, will ich wissen.
Er sieht mich liebevoll an. „Wir haben geredet, das war alles. Aber als ich auf dem Weg zum Ausgang war, habe ich plötzlich ein bekanntes Gesicht gesehen. Ich habe zuerst nicht genau gewusst, woher ich es kenne. Österreicher, das war mir gleich klar. Und dann hab ich ihn doch erkannt: Nationalratsabgeordneter Zemlinsky, Vorsitzender des Energieausschusses. Du hast mir ja von ihm erzählt. Und ich habe ihn auf einigen Veranstaltungen gesehen. Er ist in ein Büro gegangen, auf dem ‚Internationale Beziehungen‘ gestanden ist. Da hab ich dich angerufen und gemeint, ich würde ihn ein wenig beschatten.“
„‚Mira Valensky und Vesna Krajner spielen‘, hast du gesagt.“
„Na gut. Auf alle Fälle habe ich mich im Gang herumgetrieben. Es hat nicht sehr lange gedauert und er ist wieder aus dem Büro gekommen. Ich bin ihm nachgegangen. Ich wollte wissen, wohin er unterwegs ist, und weil ich mich in Frankfurt nicht so gut auskenne, hab ich das GPS am Mobiltelefon eingeschaltet. Damit ich eine Ahnung habe, wo ich bin. Ich hatte Glück. Er hat kein Taxi genommen. Ich bin durch die halbe Innenstadt hinter ihm her. Dann ist er in ein griechisches Kellerlokal gegangen. Mist, habe ich mir gedacht, ich renne ihm nach und er geht bloß essen.“
„Aber das mit Zemlinsky und ‚Pure Energy‘ ist sehr interessant“, tröstet ihn Vesna.
„Passt auf, es kommt noch besser: Ich gehe vorsichtig die Treppen hinunter und sehe, dass unser Energieausschussvorsitzender mit jemandem verabredet ist.“
„Stepanovic!“, ruft Carmen.
Oskar schüttelt den Kopf. „Es war diese Sprecherin von ‚PRO!‘. Sie haben sich an einen Tisch gesetzt und miteinander geredet.“
Tina Bogner mit Hummer-Zemlinsky in Frankfurt. Was können sie … „Sie haben gestritten“, präzisiere ich.
„Nein, die haben ganz ruhig miteinander geredet. Ich konnte natürlich nicht hören, was gesprochen wurde, und ich konnte sie auch nicht allzu lange beobachten, aber: Es hat nach einem durchaus freundschaftlichen Gespräch ausgesehen. Na ja. Und deswegen hab ich eben den Flieger verpasst.“
„Warum trifft sich Tina Bogner in Frankfurt mit Zemlinsky? Sie hat mir erzählt, dass er von ‚Pure Energy‘ bestochen wird. Was soll das?“, frage ich ratlos.
„Sie spielt vielleicht doppeltes Spiel“, überlegt Vesna.
„Oder sie hat gar ein Verhältnis mit diesem Zemlinsky“, mutmaßt Carmen.
„Nicht ein jeder muss auf Typen aus der Energiebranche fliegen“, widerspricht Fran.
Carmen wirft ihm einen wütenden Blick zu. Oskar scheint zum Glück nichts bemerkt zu haben.
„Oder Zemlinsky hat sie irgendwie in der Hand“, mutmaße ich.
„Wir werden herausfinden“, sagt Vesna optimistisch. „Und jetzt ist es zwei in der Nacht und wir müssen schlafen.“
„Ich fahre gleich morgen zu ‚PRO!‘ und werde ein paar Fragen stellen, vielleicht ist Tina Bogner ja schon wieder zurück.“ Ich stehe auf und merke mit einem Mal, wie unendlich müde ich bin.
„Du wirst nicht. Warum du willst sie warnen? Wir machen es auch nicht über Computer, sondern auf die gute altmodische Art: Wir werden die Sprecherin beschatten. In ihrem Büro, du hast erzählt, es gibt immer wieder neue Mitarbeiter und Freiwillige.“
„Sie hat dich doch schon gesehen“, gähne ich.
„Aber mich nicht. Ich mache es quasi zur Wiedergutmachung. Weil ihr durch
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