Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
energiepolitische Ruhe in diesem Land wiederherzustellen?“
Stepanovic lächelt. Er lächelt bloß und begleitet mich bis zur Tür. Um seinen Mund freilich liegt ein Zug, der nicht zur aufgesetzten Fröhlichkeit passt.
„Die haben mich angerufen und mir mitgeteilt, dass ich leider zu lange mit meiner Zusage gezögert habe. Jetzt hätten sie sich für eine andere Kanzlei entschieden“, erzählt mir Oskar am Abend.
So schnell geht das. „Wer hat angerufen?“, frage ich.
„Eine Assistentin der Geschäftsführung.“
„Sorry, daran bin wohl ich schuld.“
Oskar grinst. Ich habe ihm sofort nach meinem Gespräch von Stepanovics Reaktion erzählt. „Ich hätte ohnehin nicht zugesagt.“
Am nächsten Tag kracht es wieder. Diesmal in Wien. Beim Kraftwerk Simmering. Ich habe glücklicherweise mein Auto in der Redaktionsgarage, ich wollte früher weg und mir endlich wieder einmal Zeit für einen Großeinkauf nehmen. Unser Tiefkühler braucht dringend Nachschub. Seit Oskar unbeschadet wieder zurück ist, habe ich das Gefühl, vorsorgen zu müssen. Auch was Nahrungsmittel betrifft.
Stattdessen bin ich wieder einmal zu einem Kraftwerk unterwegs. Aber heute gibt es keinen Stau und so stehe ich zwanzig Minuten später gemeinsam mit einem Pulk anderer Journalisten vor der Simmeringer Energieerzeugungsanlage. Hinter uns ein unübersehbares Gelände mit Schornsteinen, Tanks, Hallen, Leitungen, kleineren Gebäuden. Wirkt es so staubig, weil es so nahe bei der Stadtautobahn liegt? Hat es mit dem grau-kalten Wetter zu tun? Hinter dem Absperrband der Polizei ein Stück braune Wiese, zerborstene dünne Rohre, gesplittertes Metall und verbogenes Blech. Sieht aus, als wäre das bis vor kurzem eine große Anzeigetafel gewesen. Ist das alles? Ist ein Zünder zu früh losgegangen? Eine Gruppe von Männern im Zivil, die miteinander zu beratschlagen scheinen. Sie wirken wie Konferenzteilnehmer, denen Tisch, Stühle und Gebäude abhandengekommen sind. Zwei Polizeiwagen mit Blaulicht. Sie parken eng neben der Absperrung. Eine Hundestaffel. Was will die hier? Zu dumm, dass Zuckerbrot noch immer durch die Adria schippert. Ein ORF-Reporter fragt einigermaßen ungehalten, wann es denn jetzt endlich eine Erklärung gäbe. Als er von deutschen Kollegen lautstark unterstützt wird, stellt sich einer der Konferenzteilnehmer an das Absperrband. Die Kameraleute schultern ihre Geräte, Fotografen streiten um den besten Platz.
„Kammerer. Ich leite die Sonderkommission Energie.“
„Leitet die nicht Dr. Zuckerbrot?“, schreie ich von der zweiten Reihe aus nach vorne.
Alle drehen sich zu mir um.
„Ich leite sie. Wir haben es hier mit einem neuen Anschlag der Umwelt- und Cyberterroristen zu tun. Der Schaden hält sich glücklicherweise in Grenzen. Sie konnten bloß eine Tafel mit der Werksbeschreibung sprengen.“
„Und dafür rückt die Hundestaffel aus?“, will ein deutscher Fernsehreporter wissen. Er scheint sich über die skurrilen Österreicher zu amüsieren. In Deutschland gab es bislang noch keine Anschläge. Dafür werden die „Cybersolar“-Picknicks mit jedem Tag größer. Beim gestrigen in Dresden sollen mehrere tausend Leute gewesen sein.
„Das Werksgelände ist gut gesichert. Eine Wachpatrouille hat versucht, einen der mutmaßlich zwei Täter zu stoppen. Er konnte mit Verwundungen entkommen. Die Hunde haben seine Spur bereits aufgenommen.“
„Wie hat die Patrouille versucht, die beiden zu stoppen?“
„Durch Einsatz von Schusswaffen. Wir befinden uns in einem Ausnahmezustand.“
„Die schießen wirklich auf einen, der ein Schild sprengt? Sie hetzen einem Verwundeten die Hunde hinterher?“, fragt eine junge Journalistin in knallgrüner Jacke.
„Wir haben es hier mit organisierter Kriminalität zu tun, das müsste inzwischen allen klar sein. Sie haben es darauf abgesehen, die Sicherheit unserer Energieversorgung zu unterminieren. Wir werden dagegen mit aller Entschiedenheit vorgehen.“
„Das ist doch lächerlich! Nur weil sie ein Schild gesprengt haben! Wenn sie das Kraftwerk wirklich lahmlegen wollten, hätten sie sich ins Computersystem gehackt!“, erwidert die junge Journalistin.
Wer ist sie? Das scheint jetzt auch dieser Kammerer wissen zu wollen. „Für welches Medium arbeiten Sie? Kann ich Ihren Ausweis sehen?“
„Ist die Medienfreiheit auch schon abgeschafft?“, kontert die junge Kollegin.
„Schon interessant, wie hier mit Journalisten umgegangen wird“, ergänzt der deutsche
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