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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Schüssel in die Abwasch und darauf das Nudelsieb. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich das auch getan. Da war Oskar dabei. Wie harmlos mir unsere damaligen kleinen Auseinandersetzungen jetzt vorkommen, wie zweitrangig auch unsere Diskussionen über bessere Energiepolitik. Zuerst ist Gruber verschwunden. Jetzt ist Oskar verschwunden. Es muss nicht zusammenhängen. Es darf nicht zusammenhängen. Sie sind noch nicht alle Krankenhäuser durch. Ich gebe den Knoblauch in die Öl-Chili-Mischung und lasse ihn vorsichtig ziehen. Er soll nicht braun werden, sonst schmeckt er bitter. Die Nudeln sind fertig. Ich gieße sie durch das Sieb, leere das heiße Wasser aus, gebe die Spaghetti in die jetzt gut gewärmte Schüssel, wenn noch ein kleiner Rest der Kochflüssigkeit drin ist, passt das genau. Das gewürzte Öl darüber gießen, umrühren, fertig. Ich trage die Spaghetti kommentarlos zum Tisch.
    „Dr. Oskar Kellerfreund, wohnhaft in Wien … von Beruf? Rechtsanwalt. – Warum wollen Sie das wissen? Ist er etwa bei Ihnen?“ Ich renne zu Carmen. Auch Vesna und Fran sehen ihr erwartungsvoll beim Telefonieren zu. „Ach so, ja dann. Danke. – Wieder Fehlanzeige“, flüstert Carmen. Sie klingt, als hätte sie keine Stimme mehr.
    „Wir essen jetzt“, sage ich so bestimmt wie möglich. Irgendwie, so scheint es, hat mir das Kochen trotz allem gutgetan. Das Gefühl einer heraufkriechenden unbezwingbaren Panik ist zumindest schwächer geworden. Suppenteller zum Tisch, Gabeln, Servietten. „Was wollt ihr trinken?“
    „Wasser reicht“, meint Carmen noch immer mit heiserer Stimme. Die anderen nicken. Es ist eine ungewöhnlich stumme Runde, die da bei uns am Esstisch sitzt. Ich finde die Nudeln geschmacklos, zu wenig Knoblauch, zu wenig Olivenöl, viel zu wenig Chili.
    „Mir schmecken die Spaghetti großartig“, widerspricht Fran und sieht mich dann erschrocken an.
    „He, sie dürfen dir schon schmecken“, antworte ich, versuche ein Lächeln und hole das Chili-Olivenol. „Wer will etwas davon?“ Alle schütteln den Kopf. Ich leere mir viel scharfes Öl über die Nudeln, rühre durch, koste. Es brennt am Gaumen. Gut so. Tränen steigen mir in die Augen.
    „Zu viel scharf?“, sagt Vesna.
    Mein Mobiltelefon läutet. Ich springe auf. Es ist halb zwölf in der Nacht. Das ist jemand, der etwas über Oskar weiß. Bitte lass ihn wiederkommen, schicke ich ein Stoßgebet nach oben und in alle anderen Richtungen. Ich sehe aufs Display. Unterdrückte Rufnummer. Ich hole tief Luft und nehme das Gespräch an. Es ist … Oskar.
    Ich muss mich verhört haben. Ich kann mir das bloß einbilden.
    „Mira, bist du noch dran?“
    Das klingt wie Oskar. So etwas wie eine Telefon-Fata-Morgana gibt es nicht. Es ist Oskar.
    „Ich bin jetzt am Flughafen. Ich nehme ein Taxi.“
    „Wieso …“, meine Stimme bricht. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
    „Ja, natürlich. – Meine Sekretärin hat dich doch angerufen, oder?“
    Jetzt erst nehme ich die drei Gesichter wahr. Carmen. Vesna. Fran. Ich nicke. Ich strahle. Tränen rinnen mir übers Gesicht. Ich geniere mich nicht dafür.
    „Sie hat mich nicht angerufen. Wir haben gedacht, du bist … verschwunden.“
    „Ach Mira“, sagt Oskar liebevoll. „Die Batterie meines Mobiltelefons war so gut wie leer. Mit dem letzten Saft hab ich noch in der Kanzlei angerufen, weil ich meiner Sekretärin etwas für morgen ausrichten musste. Ich hab sie gebeten, dir zu sagen, dass ich den letzten Flug nehme.“
    „Aber wieso …“ Ich versuche ruhig zu klingen.
    „Erzähle ich dir zu Hause.“
    „Vesna und Fran und Carmen sind da.“
    „Fein, dass du nicht allein warst. Sag ihnen, sie sollen noch auf ein Glas bleiben.“
    „Ja. Bis bald.“
    Ich strahle die drei an. „Er kommt heim. Er hat gesagt, ihr sollt noch auf ein Glas bleiben. Er hat gar keine Ahnung, was wir schon alles vermutet haben.“
    „Das mit Glas ist ausgezeichnete Idee“, lächelt Vesna.
    Erst nachdem wir ihn alle mit ungewöhnlicher Inbrunst umarmt haben, wird Oskar klar, welche Sorgen wir uns gemacht haben. Er ist geknickt. „Ich war unterwegs und habe das GPS meines Mobiltelefons verwendet. Und da hat dann ganz plötzlich die Batterieanzeige rot geblinkt. Mir war klar, dass ich den Flug versäumen werde, also hab ich in der Kanzlei angerufen. Es war ein Zufall, dass ich mich jetzt vom Flughafen aus gemeldet habe. Ein Kollege war in der gleichen Maschine. Wir haben ziemlich lange auf das Gepäck gewartet. Und da hab ich

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