Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
gar nichts dagegen, dass wir da sind.“
„Na super“, sagt der Polizist und schaut sich hilfesuchend nach seinen Kollegen um. Viele sind es immer noch nicht.
„Entspannen Sie sich“, rät eine Frau jenseits der sechzig dem Uniformierten. „Das da ist doch bloß ein Picknick für die Umwelt. Es ist höchste Zeit, dass etwas geschieht. Wir waren zu unserer Zeit viel wilder, wenn wir demonstriert haben.“
„Die Demonstration ist nicht angemeldet!“, fällt dem Polizisten ein weiteres Argument ein. Die meisten beachten ihn einfach nicht.
„Das ist auch keine Demonstration“, erklärt Lisi. „Oder sehen Sie irgendwo Transparente? Werden da Reden gehalten? Wir demonstrieren gegen niemanden, wir picknicken für eine bessere Energiepolitik.“
Ich schieße einige Fotos. Könnte sich in der nächsten Ausgabe sehr gut machen: ein massiger, ziemlich verzweifelt dreinsehender Polizist, eine zierliche Frau mit einem Saxofon und dahinter ein Feld voller Menschen.
„Das geht jetzt aber wirklich nicht!“, brüllt der Polizist, als er es bemerkt.
„Ich bin vom ‚Magazin‘“, erkläre ich ihm freundlich. „Viele Ihrer Kollegen gibt es hier nicht, oder täusche ich mich? Sind welche in Zivil da?“
„Es hat doch keiner gedacht, dass solche Menschenmassen kommen“, murmelt er.
„Die gehen schon wieder“, mache ich ihm Mut.
Vesna steht neben mir. „Gefällt mir eigentlich doch gut, Idee mit Picknick. Muss ich zugeben. Fast man kann glauben, die können Welt verändern. Und wenn nicht: War nette kalte Party. – Fran ich habe noch immer nicht entdeckt. Ist natürlich viel Tumult. Er geht nicht an Telefon.“
„Wir werden ihn schon finden“, rufe ich ihr zu. „Ich muss noch ein paar Fotos machen.“
Offenbar wollen die Picknicker der Gasstation nicht zu nahe kommen, um Ärger zu vermeiden. Keiner hat die Straße überschritten. Aber natürlich wäre es gut, wenn ich das Objekt, um das es eigentlich geht, gemeinsam mit den Menschen drauf hätte. Ich gehe den Feldweg entlang bis zur Straße. Auf der anderen Seite der Fahrbahn hellbraune Erde, Verbotsschilder, zwei abgestellte Bagger. Offenbar wird die Station gerade umgebaut. Weiße niedrige Gebäude, vor allem aber verschlungene Rohrleitungen, Speicherbehälter, Tanks, ein schmaler hoher Schornstein, aus dem aber kein Rauch aufsteigt. Davor ein Polizeiauto und zwei Polizisten, die mich misstrauisch ansehen.
„Die kriegen jetzt bessere Sicherheitseinrichtungen. Und einen hohen Zaun.“ Neben mir steht plötzlich ein Mann, er dürfte um einige Jahre älter sein als ich.
„Sie sind auch ein Fan von ‚Cybersolar‘?“, frage ich.
„Ich weiß nicht. Ich habe nichts übrig für Computerhacker, aber ich will sehen, was da heute passiert.“
„Sie leben hier?“
„Ja, und ich habe in dieser Gasstation sogar gearbeitet. Jetzt bin ich in Pension.“
Ich mustere ihn von der Seite. Viel älter als fünfundfünfzig kann er nicht sein. „Sagt unsere Regierung nicht, dass wir länger arbeiten sollen?“
Er grinst. „Das ist die Theorie. ‚AE‘ versucht, wie andere Unternehmen auch, Mitarbeiter zu verlieren. Der Betrieb läuft immer mehr über Computer und automatisiert. Ich hab eine Nebenerwerbslandwirtschaft. Jetzt hab ich endlich Zeit dafür. – Schauen Sie, da hinten wartet die Betriebsfeuerwehr. Für alle Fälle.“
Hinter einer Gruppe von dicken Rohren, die aussehen wie weiße Monstergedärme, sehe ich Menschen und ein rotes Feuerwehrauto. „Warum sind sie dort hinten?“
„Wahrscheinlich wollen sie nicht provozieren. Was weiß man …“
„Da sind doch ohnehin alle ganz friedlich.“
„Ja, schaut wirklich so aus.“
„Welche neuen Sicherheitseinrichtungen kriegen sie hier?“, will ich wissen.
„So genau weiß ich das auch nicht. Jedenfalls ein System, das alles genauer überwacht. Man muss auf die Sicherheit achten, heutzutage. Ansonsten wird auch so einiges umgebaut. Und das Gebäude dort wird abgerissen.“ Er deutet auf einen flachen langen Bau mit einigen kleinen Fenstern. „Das ist schon länger stillgelegt. Die Verwaltung sitzt jetzt in Wien. Geht ja auch da fast alles über den Computer. Da braucht man weniger Menschen und weniger Platz. Sie haben die Zwischenwände rausgerissen. Momentan verwenden es die Bauarbeiter, um Fahrzeuge und Werkzeug unterzustellen. Früher waren es Büros. Auch ich bin dort gesessen.“
Das Gebäude auf der linken Seite der Gasstation … davon hat Fran in seiner SMS geschrieben. Was soll da
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