Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
auch auf das eine oder andere eingelassen …“
Jetzt lacht auch sie. „Vielleicht du hast recht. Ohne Abenteuer Leben ist langweilig.“
Je näher wir Pointenbrunn kommen, desto deutlicher wird, dass wir nicht allein dorthin unterwegs sind. Der Verkehr wird dichter. Sieht so aus, als hätten die großen Aktionen in Deutschland, über die auch im Fernsehen ausführlich berichtet worden ist, viele motiviert, heute mitzutun. Es gibt eine große Gruppe Radfahrer, die wenigsten von ihnen sind unter fünfzig. „Radklub Auburg für Energiefreiheit!“, steht auf Plakaten, die sich einige auf den Rücken geklebt haben. Die Autolenker sind außergewöhnlich friedfertig unterwegs, überholen die Radler langsam, winken ihnen zu. Nur zwei Wagen in der Kolonne hupen wütend. Die wollen wahrscheinlich nicht zum Picknick. Als mein Navi nur noch zwei Kilometer bis Pointenbrunn anzeigt, biegen die ersten Autos vor uns in Feldwege ab, andere kommen uns entgegen. Offenbar sind näher beim Picknickgelände schon alle Parkmöglichkeiten ausgeschöpft. Ausnahmsweise hole ich mein „Presse“-Schild heraus. Ich fahre weiter. Viele, vor allem kleinere und ältere Autos sind entlang der Straße abgestellt. Dort vorne ist die Gasstation. Und Polizei.
„Da können Sie nicht weiter!“, schreit ein Polizeibeamter, als ob ich schwerhörig wäre. Dabei ist kein besonderer Lärm rund um uns.
Ich deute bloß auf das „Presse“-Schild.
„Na super“, sagt er. „Ich hab keine Ahnung, wo Sie parken können, die haben nichts organisiert, diese Chaoten. Da ist alles voll.“ Er wirkt eindeutig überfordert. „Wo bleibt unsere Verstärkung so lang? Die sollten längst da sein“, schreit er zu einem Kollegen hinüber.
„Ganz ruhig“, sage ich freundlich und von der friedlichen Stimmung der Karawane angesteckt. „Ich will denen bloß beim Picknicken zusehen, okay? Da hat keiner etwas Böses im Sinn. Wenn Sie mich vorbeilassen, dann kann ich mein Auto dorthin stellen.“ Ich deute auf ein Feld in der Nähe der „Cybersolar“-Freunde. Sind es dreihundert? Fünfhundert?
„Und wenn noch mehr kommen, ist Ihr Auto mittendrin. Da kann ich für nichts garantieren.“
„Kein Problem“, lächle ich.
Er seufzt und lässt mich passieren. Ich stelle meinen Honda auf einem Karrenweg ab.
„Was machst du da mit deiner Monster-Dreckschleuder?“, schreit mich ein dünner Mann um die dreißig an. Er kommt mir mit einigen anderen entgegen, ist offenbar zum Picknick unterwegs. Gar so freundlich sind hier doch nicht alle.
„Der fährt mit Wasserstoff“, antworte ich. Eine glatte Lüge, aber Schwarzenegger hat mich eben inspiriert. Außerdem: Mein SUV ist weder groß, noch braucht er viel Diesel. Doch damit zu argumentieren, wäre wohl schon zu kompliziert.
Der Dünne hält den Mund und geht an uns vorbei. Sein Begleiter grinst uns an. „Ich weiß nicht, warum der heute so geladen ist. Sorry!“
Die meisten, die hier bei knapp zehn Grad picknicken wollen, scheinen aber tatsächlich friedlich gestimmt. Man steht in Grüppchen beieinander, manche halten Becher in der Hand, andere haben Sandwiches ausgepackt. Ich sehe mich nach irgend so jemandem wie einem Sprecher um. Scheint es nicht zu geben. Fran hat es mir ja schon zu erklären versucht. Es gibt kein Machtzentrum, sondern bloß Menschen, die hier sind und dasselbe wollen.
„Ist Jana eigentlich auch da?“, frage ich Vesna.
„Habe nichts von ihr gehört. Du sagst immer, ich soll ihnen mehr Freiheit geben, sind sie erwachsen. Ich bin da nicht so sicher.“
„Fran habe ich auch noch nicht gesehen“, rede ich weiter.
„Dabei er muss seit Stunden da sein. Bei Gasstation. Hoffentlich er mischt sich nicht zu viel ein. Ich werde es ihm sagen. Erwachsen hin oder her.“
Inzwischen ist der Geräuschpegel gestiegen. Ich höre E-Gitarren, Trommeln, ein Saxofon, sehe mich um. Dort hinten haben sich einige Musiker versammelt. Wenig technischer Aufwand. Bongos, Verstärker, die in eine große Tasche passen. Wenn es sein muss, können sie schnell wieder weg sein. Und tatsächlich hat sich ein Uniformierter vor ihnen aufgebaut. „Das geht nicht, das ist ein privater Acker! Da darf man nicht Musik machen! Sie müssen das Feld räumen!“
„Glaub ich weniger“, lacht die zierliche Frau, die das Saxofon umgehängt hat.
„Dich kenn ich doch …“, sagt der Polizist, mehr verzweifelt als streng.
„Klar, ich bin die Hofer Lisi und das Feld gehört meinem Bruder. Der steht dort drüben. Der hat
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