Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
auf die Vernunft hören.
„Nur falls Sie auf die Idee kämen, mir das Du-Wort anzubieten: Ich würde nicht Nein sagen“, murmelt mein Generalleutnant.
Da haben wir den Salat.
Er sieht mich beinahe erschrocken an. „Das sollte jetzt aber kein Überfall sein … Wenn es Ihnen lieber ist … Natürlich hat auch Distanz seine Vorzüge … und manchmal bin ich, entschuldigen Sie, einfach ein wenig plump … wahrscheinlich meine Umgebung …“
Meine Güte, dieser Mann ist unsicher! Der ist, zumindest hin und wieder, tatsächlich schüchtern. Ich strahle ihn an. „Ich hab nur ein klitzekleines Problem.“
Er versucht sich wieder zu fangen. „Und das wäre?“
„Ich weiß Ihren Vornamen nicht.“
„Christoph“, lacht er, als wäre das der lustigste Name der Welt, er kann gar nicht mehr aufhören damit. „Wir sind ein wunderbares Paar.“
„Bis auf den Umstand, dass wir kein Paar sind.“
„Vielleicht macht es gerade das so nett.“
Wir trinken aufs Du und geben uns ein freundschaftliches Küsschen auf die Wange. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, er würde versuchen, mich auf den Mund … Andreas jedenfalls umtanzt und umgarnt uns, als hätten wir uns gerade verlobt.
Ich komme gegen Mitternacht nach Hause, ich will Oskar sofort vom großartigen Lokal erzählen. Es war ein wunderbarer Abend, und als ich zu Fuß durch die Innenstadt heimwärts gegangen bin, hatte ich das gute Gefühl, einen neuen Freund gefunden zu haben. So viele Menschen, mit denen man essen und reden und vielleicht ein wenig flirten kann, gibt es nicht. Natürlich bin ich vom Wein beschwingt und von dieser Meze sowieso. Ich muss mir dringend ein zypriotisches Kochbuch besorgen und versuchen, das eine oder andere nachzukochen. Außerdem werde ich Valentin ein wenig über Christoph ausfragen. Ein Offizier, der nebenbei Philosophie studiert hat. Was es nicht alles gibt. Gismo steht vor mir und maunzt Unmissverständliches: Zuallererst müsse sie einmal gefüttert werden.
„Hallo Oskar“, rufe ich beschwingt und gehe Richtung Küchenzeile. Keine Antwort. Vielleicht ist er auf der Couch eingeschlafen. Dass er schon zu Bett gegangen ist, glaube ich nicht. Ich verwöhne Gismo mit einem der kleinen, feinen Futterbeutelchen. Sieht so aus, als hätte sie heute Abend noch nichts bekommen. Ich schlemme da und meine arme Katze … Gismo schnurrt und frisst gleichzeitig. Würde ich das können, ich hätte es heute Abend auch getan.
Kein Oskar in Sicht. Ich schaue ins Schlafzimmer. Kein Oskar. Er ist noch gar nicht zurück. Ich werde auf ihn warten. Ich schenke mir einen großzügigen Schluck Jameson ein, gebe den wichtigen Tropfen Wasser in meinen irischen Lieblingswhiskey und überlege, ob ich mich vor den Fernseher oder vor den Laptop setzen soll. Ich könnte auch etwas lesen … aber mein Kopf ist so voll … Ich starte den Laptop.
E-Mail von Vesna. „Wir gehen morgen früh joggen. Halb acht beim Donaukanal. Du wirst nicht aufgeben.“
Üblicherweise schickt sie mir SMS. Ich sehe auf mein Telefon. Da sind gleich zwei Nachrichten drauf, die ich übersehen habe: eine von Vesna, hier hat sie ihren Befehl noch in eine Frage gekleidet: „Gehen wir morgen halb acht joggen? Du wirst nicht aufgeben!“ Ich antworte: „Zu Befehl!“ – Ob mich das Militärische schon infiziert hat? Die andere SMS stammt von Oskar: „Habe Kollegen getroffen, den ich ewig nicht gesehen habe. Wird spät. Kuss Oskar.“
Besser, ich gehe schlafen. Damit ich morgen leichter neben Vesna her keuche. Ob der Kommandant der Bundesheerübung in Treberndorf seinem Vorgesetzten auch erzählt hat, wie ich ausgesehen habe? Lahme Ente mit kurzer Hose und hochrotem Kopf. Na, vielleicht bin ich zu kritisch. Hoffentlich. Was soll’s, immerhin hat er zugeben müssen, dass ich seine Truppe ausgetrickst habe.
[ 6. ]
Oskar hat ungewöhnlich viel Lärm gemacht, als er heimgekommen ist. Ich habe den Verdacht, er hat mit seinem Rechtsanwaltsfreund zu tief ins Glas geschaut. Am Morgen jedenfalls schläft er tief und fest und reagiert nicht, als mein Wecker läutet.
Es ist brutal. Sechs Uhr fünfundvierzig. Ich will, wenn schon, dann gegen Abend joggen. Abends bin ich einfach besser drauf als in der Früh. Ich überlege kurz, mich zu Oskar zu kuscheln und einfach weiterzuschlafen.
Nein. Ich will fit werden. So fit, dass ich mit den Militärs mithalten kann. – Spinnst du, Mira? Quatsch. In der Früh kann man meine Gedanken nicht auf die Goldwaage legen. Meine Worte auch
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