Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
konnte ich das schon als Kind nicht ausstehen. Das einzig Dumme: Mir fällt Unterbergers Vorname nicht ein. Mein Namensgedächtnis ist entsetzlich, das ist wirklich zu blöd. Ich habe ihn natürlich schon gelesen. Aber in meinem Kopf heißt er mit Vornamen offenbar Generalleutnant. Wir reden vor allem übers Essen, Unterberger scheint diese Meze genauso zu genießen wie ich.
„Ich war nie auf Zypern stationiert, aber ich habe unsere Truppe immer wieder besucht. Und ab und zu sind dort UNO-Treffen. Außerdem fahre ich inzwischen liebend gern auf Urlaub nach Kap Greko, eine wunderbare Halbinsel, die unter Naturschutz steht.“
„Allein?“ Das ist mir so herausgerutscht.
Er sieht mich aufmerksam an. „Nicht immer“, antwortet er dann und lächelt. „Aber die letzten beiden Male schon. Meine Karriere war mit meiner Ehe nicht ganz kompatibel.“
„Könnte es einfach sein, dass Sie sich auseinandergelebt haben?“, frage ich und nehme noch einen Schluck trockenen zypriotischen Weißwein.
„Sie wissen, wer meine Exfrau ist?“
Wirkt nicht, als würde er Wert darauf legen. „Sollte ich? Ich hab jedenfalls bis vor geraumer Zeit die Lifestyle-Seiten im ‚Magazin‘ betreut.“
Er seufzt. „Dann wissen Sie über meine Exfrau wahrscheinlich mehr als ich selbst.“
Zwischen Tintenfisch in Rotwein und köstlichen Lammrippchen stellt sich heraus, dass er mit Annette verheiratet war. Der Promi-Talkerin schlechthin. Ihre Programme sind mir zu nah am Seelenstriptease. Aber die Zuschauer lieben das, sie ist so etwas wie eine Quotenqueen. „Annettes Privatleben hat mich offenbar doch nicht hinreichend interessiert“, lächle ich. „Außerdem war die Sache mit dem Lifestyle einfach ein Job, meine Katze Gismo und ich müssen von irgendetwas leben. Und wir essen beide gern.“
„Dr. Kellerfreund kann ja, glaube ich, ganz gut für sich selbst sorgen.“
Oh, er weiß, dass ich nicht allein bin. Sehr gut so. Natürlich sehr gut. Aber woher … Oskar und ich haben bei der Heirat unsere eigenen Namen behalten. Auf dem Society-Parkett sind wir selten unterwegs. Oskar hasst Menschenansammlungen mit Cocktailgläsern in der Hand. Militärischer Geheimdienst … Was hat er noch über mich ermitteln lassen?
„Wir haben einen gemeinsamen Freund. Valentin Freytag“, fährt er fort.
Ich glaube es nicht, Vesnas Liebster! Valentin, Produzent und Entwickler von internationalen Fernsehshow-Formaten mit jeder Menge Geschmack im Privatleben. Der Mann, der seit Jahren versucht, Vesna zu heiraten. Immerhin hat er es in der Zwischenzeit geschafft, dass sie aus ihrem Abbruchhaus in seine Villa gezogen ist.
„Wir kennen uns seit ewig. Ich habe neben der Ausbildung an der Militärakademie Philosophie studiert. Er war damals Assistent an der Uni. Ich habe ihn gestern getroffen, per Zufall. Und ich habe ihm wohl ein wenig von der großartigen Journalistin vorgeschwärmt, die in eine Militärübung geraten ist und meine Soldaten einfach stehen lassen hat. ‚Möge die Übung gelingen‘, und weg war sie.“
„Davon hab ich Ihnen doch gar nichts erzählt.“
„Nach unserem ersten Gespräch habe ich natürlich nachgefragt, was da in Treberndorf los war. An sich müsste der Kommandant Meldung machen, wenn Zivilisten in eine Übung geraten, hat er aber nicht. Und als ich ihn habe kommen lassen, hat er schließlich gestanden. Sie hätten die Sache lieber vergessen wollen, es sei ja auch nichts passiert.“
„Und trotz meiner Missachtung Ihrer versammelten Streitkräfte wollten Sie mit mir essen gehen?“
Unterberger lächelt und nimmt noch einen Schluck Wein. Er hat warme braune Augen. Oder macht das nur das Licht hier? „Ich habe recherchiert, dass Sie sehr gerne essen.“
„Na super!“
„Na klar. Glauben Sie, ich will in meinem Lieblingslokal mit jemandem sitzen, der nach dem dritten Tellerchen etwas von Cholesterin und Kalorien murmelt?“
„Und was wissen Sie sonst noch über mich?“
„Das erzähle ich nicht. Sonst werden Sie eingebildet.“
Andreas kommt mit einem breiten Lächeln und einem Tablett voller neuer Tellerchen. Verschiedene exotisch gewürzte Fleischragouts, mit Zimt, mit Nelken, dazu Würste und etwas, das aussieht wie Cevapcici. „Sheftalia!“, ruft er und deutet darauf. „Keftedes, Aphelia …“ Ich kann mir nicht alle Namen merken, aber es duftet großartig.
„Wenn etwas schon so schöne Namen hat …“ Ich bin zwar an sich längst satt, aber so genau muss man nicht immer auf den Magen oder gar
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