Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Ausstieg aus der gefährlichen Atomenergie und für Umweltschutz ein. Allerdings mit rechtsstaatlichen Mitteln. Wie uns bekannt wurde, wurde der Geschäftsführer des Ökostromanbieters ‚PRO!‘ Karl N. schon zwei Mal wegen gesetzeswidriger Aktionen festgenommen: Auch in Deutschland, als er gemeinsam mit Genossen Eisenbahnschienen abgegraben hat, um angeblich einen Atommülltransport zu verhindern. Dass dadurch Züge entgleisen und Menschen zu Schaden kommen können, musste ihm klar sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Tina Bogner, die Sprecherin der ‚PRO!‘-Gruppe, unmittelbar nach dem Anschlag betont hat: Jetzt zeigt sich, dass Gasleitungen zu gefährlich sind! Alle sollten auf ihre Art der Energieversorgung umsteigen! Der Europa-Chef von Greenpeace bezeichnet Tina Bogner im Exklusivgespräch mit dem ‚Blatt‘ jedenfalls als ‚radikal‘. Man sei ‚sehr froh gewesen, dass sie ihren Job bei Greenpeace aufgegeben hat‘.“
Halbwahrheiten gemixt mit Bösartigkeit und garniert mit schlechtem Deutsch. Und trotzdem: Würden sie so etwas schreiben, wenn gar nichts dran wäre? Selbst dem „Blatt“ muss klar sein, dass Greenpeace klagt, sollte der Europa-Chef falsch zitiert worden sein.
Ich sehe einige andere Tageszeitungen durch. Sie spielen das Thema deutlich kleiner, aber in allen ist über „Verdachtsmomente gegen linksorientierte Umweltgruppen“ oder von „radikalisierten Ökoaktivisten“ die Rede. Dabei hat es gestern weder eine Medieninformation der Polizei noch eine Meldung der Austria Presse Agentur zu diesem Thema gegeben. Wie sind die Redaktionen auf die Idee gekommen, die Explosion könnte mit Umweltaktivisten oder gar mit jemandem von „PRO!“ zu tun haben? Oder ist es naheliegend und ich habe eben auch meine Vorurteile: nämlich dass Umweltschützer gut und Energiekonzerne böse sind? Nein, so einfach mache ich es mir ohnehin nicht.
Zwei Sachen muss ich jedenfalls nachprüfen: ob es sich tatsächlich um ein Auto von „PRO!“ gehandelt hat, das kurz nach der Explosion auf Sonnendorf zugefahren ist; und warum sich Tina Bogner von Greenpeace verabschiedet hat. Eines ist schon klar: Die Explosion hat zwar das Fest gestört, aber sie hätte, wenn über die Anfälligkeit von Gasdruckleitungen diskutiert worden wäre, der Sache von „PRO!“ nützen können. Während „AE“, die vielleicht die Windkraftgegner finanziell unterstützen, sicherlich keinen Grund gehabt hätten, ihre eigene Pipeline in die Luft zu jagen. Und „Pure Energy“, die ja internationalen Energiehandel betreiben, schon gar nicht.
Ich kann mir vorstellen, wie wütend Tina Bogner über die heutigen Medienberichte ist. Wahrscheinlich heizt sie das Biomasseheizwerk allein mit ihrer aufgestauten Energie. Mit einem solchen Aktivitätspotenzial: Hält man es da aus, immer brav den langsamen und legalen Weg zu gehen? Ich werde sie anrufen. Um die Mittagszeit, wenn mein eigenes Energieniveau schon etwas stabiler ist. Ich muss ihr etwas entgegenzusetzen haben.
Ich bespreche mich mit Bernd von der Wirtschaftsredaktion. Er hat einen guten Draht zu „AE“, der Vorstandssprecher hat mit ihm studiert. Er wird versuchen, ihn zu erreichen und mit mir zu verbinden.
„Der ist so alt wie du und schon im Vorstand?“, wundere ich mich.
„Er ist so etwas wie ein Edel-Pressesprecher, aber nächstes Jahr wird er dreißig und da will er in der Geschäftsführung sein“, antwortet Bernd und grinst. „War immer schon ehrgeizig. Ist aber ganz in Ordnung.“
Als ich wieder am Schreibtisch bin, überlege ich, wie ich mein Gespräch mit Generalleutnant Unterberger in die Reportage einbauen werde. Wäre gut, mit ihm über die Vorwürfe gegen die Ökos zu reden. – Umweltterroristen? Kann ich an die wirklich glauben? Oder suche ich nur einen Vorwand, um ihn anzurufen? Ich sollte auf Distanz gehen und überlegen, inwieweit der Bundesheeroffizier das „Magazin“ und mich für seine Interessen einsetzen möchte. Unsinn, Mira. Lass dir das gestrige Essen nicht miesmachen. Es war ein schöner Abend. Und damit Punkt.
Als das „Magazin“-Telefon läutet, bin ich irritiert. Ruft er jetzt mich an? Nein, es ist eine Sekretärin von „AE“, ob sie mich zum Vorstandssprecher durchstellen dürfe? Sie darf.
Nach den Begrüßungsfreundlichkeiten frage ich ihn, ob es schon irgendwelche Erkenntnisse zu der Gasleitungsexplosion gibt.
„Das würden wir uns dringend wünschen. Alles, was wir wissen, ist, dass die Leitung gesprengt
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