Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
wurde. Und zwar offenbar sehr effizient. Es kann keine kindische Racheaktion oder so etwas gewesen sein.“
„Gibt es so etwas gegen Leitungen der ‚AE‘?“, will ich wissen.
„Schon, aber nicht in der Form. Es sind üblicherweise Kleinigkeiten. Querköpfe findet man überall. Wir bauen gerade eine neue Überlandleitung. Und da gibt es welche, die sich ärgern, weil man aufgraben muss, weil Wege kurzfristig unbenutzbar werden. Und es gibt natürlich Spinner, die Gas grundsätzlich für gefährlich halten. Oder die unsere Starkstrommasten beschmieren, weil sie angeblich durch Elektrosmog Krebs verursachen. Es gibt nichts, was wir nicht schon gehabt hätten.“
„Außer einem Anschlag wie am Sonntag“, erinnere ich ihn.
„Ja. Er hat keinen besonders großen Schaden verursacht, aber das Gerede ist nichts, was wir brauchen können. Wir werden gefragt, ob wir auf unsere Leitungen ausreichend aufpassen können. Und was es denn hieße, wenn das erst der Beginn einer Serie von Attentaten wäre. Als ob wir keine anderen Sorgen hätten.“
„Glauben Sie an Täter aus dem Umweltbereich?“
Schweigen. Überlegt er, wie viel er mir erzählen darf? „Radikale gibt es überall, aber … Wir haben die heutigen Medienberichte natürlich analysiert. Unter uns gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ‚PRO!‘ dahintersteckt. Wir arbeiten gut mit ihnen zusammen. Sie betreiben eine Reihe von Windparks rund um Wien, die Energie wird in unser Stromnetz eingespeist.“
„Aber Sie sind doch auch Konkurrenten, oder?“ Gar so friedlich wird der Wettbewerb unter den Energieanbietern doch nicht sein, habe ich den Verdacht.
„Unser Land ist klein. Man kennt sich untereinander. Das ist überall so. Ich habe mit Bernd studiert, er ist jetzt Wirtschaftsjournalist und ich bin bei ‚AE‘, man hat eine Vertrauensbasis, man tauscht sich aus. Genauso gibt es Energiefachleute, die gemeinsam studiert, teilweise gemeinsam gearbeitet haben und jetzt in verschiedenen Unternehmen im Umweltbereich tätig sind. Man macht Geschäfte. Auch wir setzen auf erneuerbare Energie. Da hat ‚PRO!‘ eben besonderes Know-how. Und dass sie längerfristig für ein Ende der überregionalen Energieversorgung sind und alles vor Ort erzeugen wollen, tut uns nicht weh. Das wird nicht geschehen. Zumindest nicht in absehbarer Zeit.“
Zeit für mich, einen Versuchsballon steigen zu lassen: „In Sonnendorf gibt es eine Gruppe von Windkraftgegnern. Es ist durchgesickert, dass ‚AE‘ sie finanziell unterstützt.“
„So ein Unsinn!“, kommt es empört zurück. „Warum sollten wir so etwas tun? Wir haben genug Ärger mit Leuten, die gegen alles sind, was mit Energie zu tun hat.“
„Der Anführer dieser Windkraftgegner hat bei ‚AE‘ gearbeitet.“
„Der ist seit drei Jahren in Frühpension.“
Ich lege einen Zahn zu: „Schon interessant, dass man in der Vorstandsetage jeden Frührentner kennt.“
„Ich kenne nicht jeden, aber den kenne ich. Natürlich wollte er, dass wir seine Gruppe fördern. Er scheint sich ähnlichen Unsinn zusammengereimt zu haben wie …“ Er stockt. „… wie gewissen Medien. Wir arbeiten nicht gegen ‚PRO!‘, wir arbeiten mit ihnen zusammen. Wir ergänzen einander.“
„Und ‚Pure Energy‘“, fällt mir ein, „wie geht es Ihnen mit denen?“
„Das führt jetzt schon sehr weit weg von unserem eigentlichen Gesprächsthema.“
„Vielleicht auch nicht. Es ist vertraulich, aber ich kann Ihnen etwas verraten: Es war ein namhafter Berater von ‚Pure Energy‘, der mir geflüstert hat, dass man von einem Ökoanschlag auf die Pipeline ausgehen müsse.“ Mir egal, wenn er errät, wer es ist.
„Dann hat womöglich dieser Gruber die heutigen Medienberichte auf dem Gewissen. ‚Pure Energy‘ hat die dumme Angewohnheit, sich in letzter Zeit überall einzumischen. Und Gruber mit seinen guten Beziehungen von früher ist quasi ihr Bote. – Das habe ich jetzt als Studienkollege von Bernd gesagt und nicht als Vorstandssprecher.“
„Als gute Kollegin von Bernd frage ich mich da: Gibt’s zu denen also keine so freundliche Beziehung wie zu ‚PRO!‘?“
Funkstille. „So kann man das nicht sagen“, fährt er langsam fort. „Auch mit ‚Pure Energy‘ arbeiten wir zusammen. Vor allem was Energielieferungen angeht. Sie haben in letzter Zeit einige europäische Firmen aufgekauft, die Gas- und Ölgeschäfte vermittelt haben. Das hat man bei ‚AE‘ begrüßt. Jetzt ist der Handel nicht mehr so unübersichtlich.
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