Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Tage

Unter Tage

Titel: Unter Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
normaler Mensch in der Minute verbraucht?«
    Corton dachte nach. »Hm, ich schätze, also ungefähr drei, vier Liter.«
    »Sind Sie sicher? Wissen Sie das genau?« forschte Benner.
    »Nein, nicht genau. Ungefähr. Ich sagte doch ungefähr drei, vier Liter.«
    »Wieviel Liter enthält ein Raum von dreihundertvierundachtzig Kubikmetern Größe? Können Sie das ausrechnen? Entspricht nicht ein Kubikmeter tausend Liter?«
    Corton überlegte angestrengt. »Ja, das ist richtig. Dann haben wir dreihundertvierundachtzigtausend Liter Luft.«
    »Das ist ja genug, nicht wahr? Dann haben wir ja noch eine Chance!«
    Corton atmete tief durch. »Ja, wir haben eine Chance. Das heißt, wenn keine giftigen Gase durchdringen. Wenn die Erschütterungen nicht unterirdische Gaseinschlüsse und Wasserreservoire freigelegt haben. Dann haben wir ein Chance.«
    Wieder die Stille und die leblose Finsternis.
    Die beiden Männer hockten mit angezogenen Beinen auf dem harten Boden.
    »Ich habe Durst!« stieß Benner inbrünstig hervor. »Ich habe soviel Durst, ich könnte eine ganze Badewanne leersaufen!«
    »Da stehen Sie nicht alleine.« Corton lachte kurz. »Das macht der Staub. Er hat sich in der Kehle festgesetzt und dörrt den Körper aus. Aber wir haben nichts zu trinken. Oder?«
    »Nein«, sagte Benner. Er schluckte mehrmals. »Die Bergungsmannschaft! Die Männer haben bestimmt Wasser dabei! Hoffentlich kommt die Bergungsmannschaft bald! Vielleicht schon in ein paar Stunden. Stellen Sie sich vor, Corton, in ein paar kurzen Stunden sitzen wir in einer gemütlichen Kneipe vor zwei riesengroßen Gläsern Bier! Stellen Sie sich das vor!«
    »Ich stelle mir es vor«, sagte Corton.
    »Dann kann ich meine Verabredung doch noch einhalten. Oh la la!« Benner leckte sich genießerisch über die spröden Lippen. »Kennen Sie Doris? Doris, die kleine, schwarzhaarige Katze aus Nickis Bar? Kennen Sie sie?«
    »Nein«, gestand Corton. »Nein, ich kenne weder Nickis Bar noch diese Doris.«
    »Das ist ein Biest, kann ich Ihnen sagen!« schwärmte Benner enthusiastisch und fuchtelte mit dem rechten Zeigefinger durch die Schwärze, malte unsichtbare Gesichter. »Ein Traum von einem Weib! Ja, Sie haben richtig verstanden, ein Traum von einem Weib, nicht von einer Frau, von einem Weib, Corton, so, wie ich es gesagt habe. Sie hat wundervolle Brüste, müssen Sie wissen. Fest, nicht zu groß, keine aufgeblasenen Luftballons aus Fleisch, nicht zu klein, keine verschrumpelten Murmeln, nein, gerade richtig mit spitzen Brustwarzen, goldbraun, die hart und steif werden, wenn man sie streichelt, mit der Hand, mit der Zunge. Es macht verdammt viel Spaß mit ihr.«
    Corton schwieg.
    »Sehen Sie«, erzählte Benner weiter, »viele der Mädchen, die ich kenne, haben einen kleinen, schwabbelnden Bauchansatz; man kann ihn zwischen zwei Finger nehmen, ihn langziehen, und er klatscht mit einem fettigen Ton zurück. Schrecklich, einfach schrecklich. Aber nicht so Doris. Ihr Bauch ist flach wie eine Bongotrommel. Flach und warm. Ein Traum! Ein Gedicht! Und die Schenkel! Ihre einzigartigen, prallen, wohlgeformten, weichen, samtenen Schenkel! Wenn man genau hinsieht, Corton, kann man die Gänsehaut erkennen, die Doris bekommt, wenn man sie küßt oder streichelt. Und zwischen ihren Schenkeln … Mann, Corton, ein Vulkan! Ein Vulkan, sage ich! Sie ist nur schwach behaart, ein weiches, flauschiges Vlies. Wenn ich nur daran denke …!«
    Benner atmete heftig.
    »Warum erzählen Sie mir das?« fragte Corton. »Warum erzählen Sie mir das alles von ihr?«
    »Weil ich sie heute Abend treffen werde! Weil ich immer an sie denke, wenn ich unter Tage bin! Begreifen Sie das denn nicht? Sie ist das, wovon ich immer geträumt habe, Corton! Ich liebe sie!«
    »Ein Barflittchen!« sagte Corton zynisch. »Eine kleine Hure aus der Gosse!«
    Benner verstummte. Nach einer Weile flüsterte er: »Wie können Sie so etwas behaupten? Sie haben doch zugegeben, daß Sie sie nicht kennen. Wie können Sie dann so etwas behaupten, Corton? Warum wollen Sie mir wehtun? Wenn Sie das noch einmal über Doris sagen, bringe ich Sie um! Ich bringe Sie um, Corton, haben Sie das verstanden? Ich bringe Sie um!«
    »Ja, Benner«, entgegnete Corton ruhig. »Ich habe Sie verstanden.«
    »Dann ist es ja gut!« seufzte Benner. »Dann ist es ja gut!«
    Schweigen. Dunkelheit. Nur schwere Atemgeräusche und das Rieseln des Staubes.
    »Wie konnte das Unglück nur passieren?« Benner kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher