Unter Verdacht
war, setzte Karen sich ins Zimmer. Ellen kam wenige Minuten später.
»Ich fühle mich rundum erneuert«, verkündete sie und legte sich wieder aufs Sofa.
»Toll«, sagte Karen, während sie Ellen wieder in die Decke einpackte.
»Diese Fürsorge, einfach reizend. Womit habe ich das verdient?«
»Du bist meine liebste Schwester.«
Ellen grinste. »Ich bin deine einzige Schwester.«
Karen setzte sich Ellen gegenüber in einen Sessel und überlegte, mit welcher der vielen Neuigkeiten sie ihre Schwester zuerst konfrontieren sollte. Da sie sich immer alles erzählten, war das »Das« keine Frage.
»Miriam ist wieder in meinem Büro aufgetaucht. Sie will ihr Atelier umbauen lassen.«
»Und das glaubst du? Sie sucht doch nur einen Vorwand, um sich wieder an dich heranzumachen. Diese Frau ist auf dich fixiert.«
Karen spürte einen Anflug von Panik in sich aufsteigen, als sie ihre eigene Vermutung so prompt bestätigt bekam. Doch dann schalt sie sich. Das war ja lächerlich. Schließlich konnte Miriam sie zu nichts zwingen. Das gelegentliche Zusammentreffen mit ihr würde sie schon überleben.
»Deshalb habe ich Ralf mit der Sache betraut. Er wird schon mit ihr fertig.«
Um die Gedanken von diesem unerfreulichen Thema abzulenken, verkündete Karen nun: »Ich habe den Mercura-Auftrag!«
»Gratuliere!«
»Danke«, sagte Karen zurückhaltend.
»Was ist? Freust du dich gar nicht?« wunderte sich Ellen.
»Dazu besteht nicht der geringste Anlass«, klärte Karen ihre Schwester auf. »Vorgestern Abend war die Bekanntgabe. Und gestern Nachmittag erfahre ich von Bernd Drechsler, dass ich kurz vor dem Konkurs stehe.«
»Wie bitte!?« Ellen richtete sich abrupt auf. Sie saß jetzt, buchstäblich kerzengerade, auf der Couch. Auch sie hörte fassungslos zu, als Karen jetzt ihr Gespräch mit Drechsler wiedergab.
»Je öfter ich das erzähle, um so mehr kommt es mir wie ein schlechter Witz vor. Nur dass es leider keiner ist, sondern bitterer Ernst«, endete Karen.
»Was tust du denn jetzt?« fragte Ellen aufgeregt.
»Ich stürze mich widersinnigerweise auf Drechslers Vorbereitungen und hoffe, dass das Finanzamt keinen Verdacht schöpft. Ich suche mir einen zuverlässigen Wirtschaftsprüfer, wobei ich noch keine Ahnung habe, wo ich den herbekomme, und verschaffe mir einen Überblick über den Schaden. Diesen versuche ich zu begrenzen. Ich finde, hoffentlich, die Methode des Betruges, dessen Verursacher und das Geld.«
»Und was machst du, wenn dem Finanzamt doch was auffällt?«
»Drechsler meint, das ist unwahrscheinlich. Wenn er sich täuscht, werde ich in einer verträumten einsamen Zelle über meine Blauäugigkeit nachdenken können. Denn es ist ja wohl klar, wen man für das Ganze verantwortlich machen wird.« Karens Stimme klang bitter.
»Karen, du kannst doch nicht einfach abwarten!«
»Was die Betriebsprüfung betrifft, habe ich keine andere Wahl. Oder weißt du etwas Besseres?«
Ellen schüttelte resigniert den Kopf. »Nein«, gab sie zu. »Aber frage Vater nach einer Kanzlei, die sich deiner Sache annehmen soll. Er kennt so viele Leute. Er findet die Richtige. Verschwiegen und zuverlässig«, riet sie.
»Das ist eine gute Idee.«
»Es tut mir leid, dass deine Freude am Gewinn der Ausschreibung auf die Art nur von kurzer Dauer war.«
»Zumindest wurde sie erheblich getrübt. Übrigens, das Projekt wird von einem Berater begleitet, genauer gesagt einer Beraterin. Professorin an der Uni.«
Ellen schaute Karen fragend an. »Dein Typ?«
»Schon möglich«, meinte Karen unbestimmt.
»Na, dann nichts wie ran.«
»Sie ist nicht an Frauen interessiert.«
»Woher willst du das wissen? Hast du sie gefragt?«
»Natürlich nicht.«
»Na also.«
»Na also«, äffte Karen nach.
»Nun sei nicht so eklig zu mir. Ich kann ja nichts dafür, dass die Spielregeln gegen dich sind«, verteidigte sich Ellen.
»Ich hasse die Regeln. Warum kann eine Frau nicht einfach einer anderen sagen, wenn sie ihr gefällt, ohne dass sie Gefahr läuft, anschließend wie eine Kranke behandelt zu werden: entweder gemieden oder auffällig unauffällig vorsichtig?«
»Niemand sagt, dass das Leben leicht ist«, kommentierte Ellen philosophisch.
»Vielen Dank. Darauf wäre ich, besonders nach den letzten Tagen, nie gekommen«, erwiderte Karen unwirsch.
4.
S ylvia stellte ihren Wagen ab und fluchte. Sie war viel zu spät dran. Mit großen Schritten hastete sie auf das Gebäude der Mercura-Immobilien zu. Karen wartete bereits in der
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