Unter Verdacht
hin.
Karen lächelte, als sie auflegte. Noch im selben Moment klingelte das Telefon erneut. »Du scheinst es wirklich nicht erwarten zu können, Schatz«, sagte Karen belustigt in der Annahme, Sylvia sei am anderen Ende.
»Äh, wie bitte?« Das war Sachs Stimme.
Karen räusperte sich. »Oh, Sie sind es. Ich dachte, es sei jemand anderes.«
»Das nehme ich an«, feixte Sachs.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte Karen.
»Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie.« Seine Stimme wurde ernst.
»Ich glaube, ich bin heute immun dagegen«, erwiderte Karen gutgelaunt. »Also, schießen Sie los.«
»Gregor ist aus dem Krankenhaus getürmt«, teilte Sachs ihr mit.
Karen schwieg betroffen. »Wie konnte das denn passieren?« fragte sie, nun doch außer Fassung. »Ich dachte, er sei bewacht worden.«
»Er hat einen kleinen Brand in seinem Zimmer gelegt. Den hereinstürmenden Beamten hat er kurzerhand niedergeschlagen. Das Krankenhauspersonal brachte den vermeintlich vom Qualm ohnmächtigen Beamten sofort in den nächsten Behandlungsraum. Gregor ist während des entstandenen Getümmels verschwunden«, erzählte Sachs merklich verärgert. »Ich würde gerne einen Beamten zu Ihrer Sicherheit schicken«, fügte er anschließend hinzu.
»Warum sollte Gregor ausgerechnet zu mir kommen?« fragte Karen verständnislos. »Er weiß, dass er von mir keine Hilfe zu erwarten hat.«
»Er braucht einen Fluchtwagen und Bargeld. Zu sich nach Hause kann er nicht, also sind Sie eine mögliche Alternative für ihn. Er wird Sie nicht bitten, er wird sich einfach nehmen, was er braucht«, erklärte Sachs.
»Also, da ist es doch einfacher und sicherer für ihn, sich ein beliebiges Auto von der Straße zu knacken und, entschuldigen Sie, eine wehrlose Oma auszurauben«, erwiderte Karen.
»Da haben Sie durchaus recht«, meinte Sachs. »Es wäre ja auch nur zu Ihrer eigenen Sicherheit.«
»Danke, dass Sie sich bemühen. Aber ich denke, es ist nicht nötig, solchen Aufwand zu betreiben«, lehnte Karen bestimmt ab. Erstens war sie wirklich der Überzeugung, dass Sachs übertrieb, und zweitens wollte sie sich den aussichtsreichen Abend mit Sylvia nicht durch die Anwesenheit eines Beamten verderben lassen.
»Also gut«, lenkte Sachs ein. »Aber seien Sie vorsichtig! Und wenn irgend etwas ist, rufen Sie mich bitte an.«
»Das werde ich tun«, versprach Karen. »War’s das?«
»Ja«, sagte Sachs.
Karen legte auf. Für einen Moment überlegte sie, ob es nicht doch besser wäre, Sachs Vorschlag zuzustimmen. Doch dann verwarf sie den Gedanken und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie freute sich auf den Abend mit Sylvia.
Viertel nach vier beendete Sylvia ihre Vorlesung mit den Worten: »An dieser Stelle werden wir beim nächsten Mal fortfahren. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.« Das Auditorium bedankte sich mit dem üblichen Klopfen. Sylvia ging in ihr Büro. Noch gute dreieinhalb Stunden, bis sie Karen sehen würde.
Auf Sylvias Schreibtisch lag ein neuer Stapel von Klausurarbeiten, die durchgesehen werden mussten. Das sah dann allerdings so aus, dass sie irgendwelche Figuren auf die Schreibtischunterlage malte, mit dem Stift in ihren Fingern spielte und verträumt aus dem Fenster sah. Auf diese Weise korrigierte sie gerade mal drei Arbeiten in anderthalb Stunden. Keine Glanzleistung, dachte Sylvia unbekümmert. Es quälten sie nicht die geringsten Gewissensbisse ob dieser uneffektiven Quote. Sie packte zusammen. Sie musste nach Hause und Mozart füttern, bevor sie zu Karen fuhr.
Es war zehn vor halb acht, als sie vor »Candela & Partner« zum Halten kam. Viel zu zeitig.
»Ich bin zu früh«, sagte sie deshalb schuldbewusst, als sie Karens Büro betrat.
»Ein wenig«, erwiderte Karen lächelnd. »Aber das macht nichts. Ich kann ebensogut morgen weitermachen.«
»Ich warte gern. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen . . .«
Karen ging auf Sylvia zu und legte ihr einen Finger auf den Mund.
Sylvia konnte nicht widerstehen. Ihre Lippen öffneten sich und liebkosten ihn. Dann nahm Sylvia Karens Hand und legte sie auf ihre Wange.
Karen ließ ihre andere Hand zu Sylvias Nacken wandern, zog deren Kopf zu sich. Als sie sich wieder lösten, schaute Karen Sylvia zärtlich an. »Du bist so wahnsinnig wohltuend«, sagte sie. »Ich fürchte, ich bin dir total verfallen.«
»Das ist gut. Denn ich möchte dich pausenlos in meiner Nähe haben.« Sylvia küsste Karen zärtlich.
»Ich wusste ja gar nicht, dass du so besitzergreifend bist«,
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