Untergrundkrieg
ich einmal die Gelegenheit hatte, allein mit ihm »Geheim-Yoga« zu praktizieren, sagte er zu mir, ich sei völlig im Stadium von Makyo – dem Zustand, in dem bei fortschreitender Meditation spirituelle Hindernisse auftreten. Ich sagte zu ihm: »Um besser voranzukommen, möchte ich so bald wie möglich die Gelübde ablegen.« – »Warte noch«, sagte er. »Makyo kann man nicht entfliehen. Mach weiter deine Übungen, und du wirst es überwinden.«
Als ich Asahara das nächste Mal sah, schwebte er fast ins Dojo, um milde lächelnd Bhakti – die Anbetung und Verherrlichung – entgegenzunehmen. Da wurde mir bewusst, dass er ein Mann mit vielen Gesichtern war. Jetzt hatte ich überhaupt keine Angst vor ihm. Er strahlte, und allein schon in seiner Nähe zu sein, erfüllte mich mit einem Glücksgefühl.
Drei Monate nach meinem Eintritt erhielt ich die Erlaubnis, die Gelübde abzulegen. Während einer unserer »Geheim-Yoga-Sitzungen« sagte Asahara zu mir: »Du kannst jetzt Mönch werden, aber unter einer Bedingung. Du gibst deinen Job auf und suchst dir eine Stelle bei einem Buchbinder.« Ich war ziemlich verdutzt und fragte, warum ausgerechnet bei einem Buchbinder. »Wir wollen eine Druckerei eröffnen, und ich möchte, dass du lernst, wie man Bücher bindet.« – »Ich habe verstanden«, antwortete ich und suchte mir kurzerhand Arbeit bei einem Buchbinder. Kost und Logis waren inbegriffen.
In einer Buchbinderei gibt es eine Menge Maschinen: Falzmaschinen, Schneidemaschinen, Pressen. Ich hatte keine Ahnung, wo anfangen, wo aufhören, was ich mir merken sollte und was nicht. Er hatte ja nur gesagt: »Lerne Buchbinden.« Also tat ich mein Möglichstes, mir das anzueignen. Sonntags, wenn niemand in der Werkstatt war, studierte ich eifrig die Maschinen. Ich hatte kaum technische Vorkenntnisse, aber mit der Zeit fand ich heraus, welche Knöpfe ich drücken musste und wie bestimmte Teile funktionierten. Ich durfte die Maschinen nicht bedienen, lernte aber vom Zuschauen. Nachdem ich drei Monate gearbeitet hatte, bekam ich die Anweisung, unverzüglich die Gelübde abzulegen. Ich packte meine Sachen zusammen und verließ die Buchbinderei.
Als Mönch muss man auf alles, was man gerne isst – wie zum Beispiel Eiscreme – verzichten. Das fiel mir unglaublich schwer. Für mich war es härter, auf Essen zu verzichten als auf Sex. Am Abend, bevor ich die Gelübde ablegte, stopfte ich mich noch mal so richtig mit allem voll, was ich in die Finger kriegte. Es war ja das letzte Mal.
Natürlich waren meine Eltern völlig dagegen, aber da ich glaubte, mein Verzicht wäre letzten Endes auch für sie ein Segen, ignorierte ich sie. Um offiziell Samana zu werden, muss man 1.200.000 Yen [12.000 Euro] spenden und sechshundert Stunden Gebete im Stehen absolvieren. Weil sie es mit der Buchbinderei aber ziemlich eilig hatten, wurde in meinem Fall eine Ausnahme gemacht.
Etwa eine Autostunde von der Fuji-Zentrale entfernt gab es einen Ort namens Kariyado. Dort war in einem kleinen Fertigbau die Druckerei untergebracht. Zu meinem Erstaunen war ich der Einzige, der überhaupt irgendwelche Kenntnisse im Buchbinden hatte. Ich hatte angenommen, ich würde einem Team angehören. Und jetzt war ich, quasi ein Novize, Leiter der Buchbinderei. Ich war total verdutzt. Für die Buchbinderei waren zehn bis zwanzig, für die Druckerei zehn und für die Herstellung der Druckplatten zwanzig Personen vorgesehen. Eine ziemlich große Sache.
Aber die Maschinen, die Aum gekauft hatte, waren alte Dinger, die schon jahrzehntelang in irgendeinem Lager vor sich hin gerostet hatten. Nicht nur in der Buchbinderei, auch in der Druckerei war das so. Alle beschwerten sich. Es war der letzte Trödel. Allein sie wieder zum Laufen zu bringen, war ein Kraftakt. Zudem kannte ich mich mit diesen Maschinen ja auch nicht genau aus. Also dauerte es erst mal drei Monate, bis wir sie überhaupt einigermaßen instand gesetzt hatten, und trotzdem funktionierten sie manchmal nicht richtig. Aber wenn man die Umstände bedenkt, haben wir es trotzdem ganz gut hingekriegt.
Als Erstes druckten und banden wir die 23. Ausgabe von Mahayana. Bis dahin waren alle Aum-Veröffentlichungen bei irgendeiner Druckerei in Auftrag gegeben worden, aber von nun an konnten wir sie selbst drucken.
Eines erstaunte mich: Seit ich entsagt hatte, war in meinem Leben fast kein Platz mehr für asketische Übungen. Ich fragte einen der Oberen, warum das so sei, und er sagte, ich müsse erst Verdienste
Weitere Kostenlose Bücher