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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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sie so reinigt. Ich war schon immer ein bisschen anfällig und bekomme oft Ekzeme. Schauen Sie mal. ( Zeigt ihren Arm ) Da habe ich auch was. Als ich ihm davon erzählte, sagte er: »Warum versuchen Sie’s nicht mal?« Also probierte ich es, und mein Ekzem verschwand wirklich. Ich versuchte es nur einmal, und – schwupp – am nächsten Tag war es weg. Einfach so.
    Außerdem hatte ich keinen Appetit und schaffte nie mehr als eine halbe Kinderschale mit Reis, aber mit Hilfe dieser Techniken konnte ich plötzlich eine ganze große Schale verputzen. Meine Mutter war richtig verblüfft. Auch meine Kopfschmerzen wurde ich los. Ich fühlte mich insgesamt irgendwie wohler.
    »Das ist ja toll«, dachte ich. Der Mann aus dem Friseursalon sagte, wir sollten doch zusammen Mitglied werden. Ich zögerte ziemlich lange, aber zum Schluss war ich doch einverstanden.
    Murakami: Ich habe Sie doch richtig verstanden: Zu diesem Zeitpunkt wussten Sie, dass Aum Shinrikyo nicht nur eine Yoga-Gruppe, sondern eine religiöse Vereinigung war?
    Ja, das wusste ich. Damals waren gerade Wahlen, und sie trugen diese Elefanten-Masken. Im Grunde interessierte ich mich gar nicht für die Lehre oder für Shoko Asahara. Ich hatte nur das Gefühl, es könnte sich lohnen, mir diesen Verein einmal näher anzuschauen, denn die Auswirkungen auf meine Gesundheit waren ja positiv. Neugier hat bestimmt auch eine Rolle gespielt.
    Als Erstes besuchten wir ein Dojo in der Nähe und sprachen mit den Erleuchteten. Was, weiß ich nicht mehr. Das Gespräch hat keinen großen Eindruck auf mich gemacht. Andererseits hatte ich auch keine besonderen Erwartungen. Wir unterhielten uns nur, dann füllte ich ein Formular aus.
    Murakami: Aber Sie haben sich den Inhalt der Lehre erklären lassen?
    ( Lacht ) Genau.
    Murakami: Dann haben Sie sich angemeldet. Das heißt, Sie sind nach einigen Erklärungen, denen Sie nur halbherzig zugehört haben, Mitglied einer Vereinigung geworden, deren Lehre Sie nicht verstanden? Die anderen Leute, die ich bisher inter viewt habe, sind alle erst nach langem Nachdenken beigetreten. Bei Ihnen scheint das dagegen ganz schnell gegangen zu sein.
    Ja, ziemlich schnell. Als ich erfuhr, dass die Anmeldung mit der Aufnahmegebühr von 30.000 Yen und einem halben Jahr Monatsbeiträgen zu 18.000 Yen insgesamt 48.000 Yen [ca. 500 Euro] kosten würde, sagte ich: »O je, so viel Geld habe ich nicht.« Aber der Mann, der mich dazu überredet hatte, bestand darauf, die Hälfte zu übernehmen. Er war nicht einmal mein Freund oder so was. Er war wirklich sehr nett, aber vielleicht dachte er auch, dass er Verdienste erwerben würde, wenn er ein neues Mitglied warb.
    Nach dem Beitritt bekam man alle möglichen Pflichten zugeteilt. Eigentlich hatte ich keine Lust, mich an diesen Aktivitäten zu beteiligen, aber der Mann, der mich eingeladen hatte, bat mich immer wieder darum. Das Dojo lag ganz in meiner Nähe, also fand ich, ich könnte ruhig auch mal hingehen.
    Die Mönche und Nonnen in ihren einfachen Sweat-Shirts wirkten so ruhig und ausgeglichen auf mich, dass ich mich von ihrer Art, die Zeit zu verbringen, plötzlich sehr angezogen fühlte. Ihre Welt war Lichtjahre entfernt von dem Lärm und der Hektik meines Pendler- und Berufslebens. Ich konnte mich entspannen. Ich saß bloß ganz ruhig da und faltete Flugblätter. Und fühlte mich wohl dabei. Es war keine schwere Arbeit, alle waren freundlich, und die ganze Atmosphäre strahlte Ruhe und Frieden aus. Von da an ging ich an meinen freien Tagen ins Dojo, manchmal auch gleich nach der Arbeit. Ich faltete meine Flugblätter und ging dann nach Hause. Aum hatte 24 Stunden geöffnet, und ich konnte jederzeit vorbeischauen.
    In meiner Firma war es gang und gäbe, dass die Angestellten Affären miteinander hatten. Mein Vater hat auch mal eine Affäre gehabt, und so etwas widert mich an. Im Dojo herrschte eine völlig andere Atmosphäre. Anständig und friedlich. Wenn ich so ganz unbehelligt dasaß und, ohne nachdenken zu müssen, meine Flugblätter faltete, fühlte ich mich unheimlich wohl.
    Nonne wurde ich nach dem Ishigakijima-Seminar, das im April 1990 stattgefunden hat, das heißt, ich habe schon zwei Monate nach meinem Eintritt die Gelübde abgelegt.
    Auf Ishigakijima wurde viel über Armageddon gesprochen, aber nur altgediente Meister erhielten diese Unterweisungen. Laienmitglieder wie ich, die noch bei ihrer Familie lebten, wurden nicht eingeweiht. Außerdem hingen die Unterweisungen für Laienmitglieder

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