Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Coup! Der Bürgermeister war hochzufrieden. Die Finte mit den hochzeitswütigen Indern hatte geklappt, jetzt war es ihm gelungen, schon nach dem ersten Besuch der Bollywood-Produzenten von den Filmalaya-Studios einen richtigen Vertrag abzuschließen. Die gebirgssüchtigen Inder würden einen Currywestern nach dem anderen drehen, und Aamir Khan würde im Kurort ein und aus gehen. Der Bürgermeister hatte auf jeden Fall wieder ein paar Wählerstimmen gewonnen. Alle drängten lachend wieder hinein in die Wirtsstube.
Die Dunkelheit war hereingebrochen. Gustl, Hias, Blasi und Naaz waren wieder aufgewacht. Das windige Streichquartett umschmeichelte die Wolzmüller-Alm, pardon: Rainer-Ganshagel-Alm, und hüllte sie in spitze Pfiffe und sirrende Sauser. Die weißliche Béchamel-Mondsoße hatte sich über die Matten und Hügel ergossen. Und die Alm schämte sich nicht, sich von der prachtvollsten, aber auch verletzlichsten Seite zu zeigen. Abgesehen von den Winden war es ruhig, wie es in solchen Höhen eben ruhig ist. Vielleicht war es nur draußen im Weltall noch einen Klacks ruhiger. Der Michl ging jedoch nicht hinauf zur Alm. Er warf einen kurzen Blick in die Richtung, er grüßte seinen Vater, der dort begraben lag, dann lenkte er die Schritte zu seinem Haus. Schon von weitem sah er, dass das Ehepaar Grasegger am Zaun wartete.
»Servus Michl«, sagte Ursel. »Können wir reinkommen?«
Keine Antwort.
»Erinnerst du dich noch, wie wir deinen Vater beerdigt haben damals?«, fragte Ignaz am großen Tisch, an dem noch vor kurzem Ostler gesessen hatte. Der Tisch war übersät mit Zeichnungen.
»Du bist doch so ein talentierter Bursche«, sagte Ursel nach einer langen Pause. »Wir hätten da eine Geschäftsidee.«
Nicht ganz so Idyllisches und Versöhnliches ist vom armen Scheuchzer Schorsch zu vermelden. Der Hausmeister des Kainzenbades fand ihn erst nach Tagen, bei einem Kontrollgang durch die Umkleidekabinen. Als der Pedell die Kabine Nummer 99 öffnete, merkte er, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Ein paar Bretter der Wandverkleidung waren lose, er riss sie ganz herunter. Der Scheuchzer Schorsch war in den Zwischenraum gepresst worden. Er hatte ein winzig kleines Loch am Hals. Und er hielt immer noch zwei Eiswaffeln in der Hand.
Davon wussten Jennerwein und sein versammeltes Team noch gar nichts, sie waren froh, diesen Fall abgeschlossen zu haben. In der Roten Katz wurde geschna pp selt; die Ganshagel-Witwe hatte es kurz einmal geschafft, sich zwischen Maria und Jennerwein zu zwängen; der Rösch Sigi entschuldigte sich vielmals – er müsse noch zu einer anderen Leich’ im Nachbarort, da wären noch ein paar Jodler fällig; und der kleine Ägidi musste jetzt ins Bett. Er verabschiedete sich artig vom Herrn Kommissar.
»Du heißt wirklich Hubertus?«, fragte er.
»Ja, wirklich. So wie du Ägidi heißt.«
»Du hast doch versprochen, dass ich mit dem Tatütata fahren darf.«
Jennerwein nickte und erhob sich.
»Ja, klar. Versprochen ist versprochen.«
Erfreue jeden Tag ein Kind , hätte der stumme Raj Narajan auf einen Zettel geschrieben. Aber auch ohne Zettel: Ein langer, anstrengender Tag endete versöhnlich.
Wie: versöhnlich?
Das letzte Wort, das Schlusswort, die Apotheose, der Appendix sollte doch eigentlich immer der kompetentesten, sachkundigsten und nachhaltigsten Figur des Kriminalfalles vorbehalten sein, und das kann eigentlich niemand anderes sein als das Tatwerkzeug selbst. Der Hammer, der Draht, die Spritze, die Kugel – diese kleinen Requisiten wissen immer mehr als alle anderen Figuren zusammen, sie haben auch eine wesentlich größere Rolle gespielt als diese. Sind sie aber einmal in den durchsichtigen Beutel gesteckt worden und in der dunklen Asservatenkammer gelandet, dann werden sie ganz und gar vergessen. Ich selbst allerdings erfreue mich noch der Freiheit, darum erlaube ich mir jetzt, stellvertretend für alle eingebeutelten Freunde, das Wort zu ergreifen. Ich, der doppeltverzinkte und darüber hinaus mit einer verstärkten Schnittkante versehene Klappspaten der Marke Gartenfreund, habe das Schlusswort erhalten. Das allein zeugt doch schon von meiner Wichtigkeit. Kommissar Jennerwein hat wieder einmal fast alles aufgeklärt, so steht es jedenfalls in den Gazetten, so twittert es im Netz. Es stimmt schon: Er hat auch fast alles herausgefunden, dieser Jennerwein – aber hat er zum Beispiel das Tatwerkzeug gefunden? Mitnichten! Und er wird es auch nicht finden. Ich habe mich in
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