Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Rösch Sigi gehabt. Die Trauernden hatten sich viele inbrünstige und tränenerstickte Reden angehört, einige Schwarzschmatzer ließen es sich auch nicht nehmen, auf die anwesenden Polizisten hinzuweisen, die unter Einsatz ihres Lebens (Schützenvereinsvorsitzender Meyer) und ohne auf ihre Gesundheit zu achten (Feuerwehrhauptmann Mirgl) die feige Mörderin des rührigen Hüttenwirts (Sparkassendirektorin Schmitz-Neumann) in vorbildlicher Weise (Hotel- und Gaststättenverbandsvorsitzender Mühle) den dunklen Seiten der Welt die Stirn geboten hätten (Kassier des Schafkopfvereins Hallauer) und als Zierde des gesamten Beamtenstandes (OStD Dr. Meismayr) dem Bösen das Handwerk gelegt hatten (Skiclubpräsident Heppl). Die Menge zerstreute sich.
»Geht ihr noch mit zum Leichenschmaus in die Rote Katz?«, fragte die Exfrau von Ganshagel, die sozusagen auf einen Schlag zur Exwitwe geworden war.
»Ja, freilich gehen wir mit!«, antwortete Ostler und nickte den anderen aufmunternd zu. »Das sind wir dem Rainer schuldig.«
Jennerwein blickte wenig begeistert unter seinen Verbänden hervor. Aber er musste sich fügen, er war es seinem Team schuldig. Und auch Ganshagel.
»Schön, dass Sie meinen Exmann gerächt haben, Herr Jennerwein«, sagte die Witwe. Schwarz stand ihr gut.
»Ich weiß nicht, ob rächen der richtige Ausdruck ist«, sagte Jennerwein müde, und ein kleines Lächeln entkam ihm unter den Verbänden.
»Sie wissen schon, wie ichs meine, Herr Kommissar. Wollen Sie beim Leichenschmaus neben mir sitzen?«
Die Ex berührte Jennerwein leicht an der Schulter.
»Nein, fassen Sie da nicht hin«, fauchte Maria. »Da tuts ihm besonders weh.«
Und so brachen sie auf zur Roten Katz, die praktischerweise direkt am Weg zum Friedhof lag. Maria stützte den humpelnden Jennerwein, der momentan gar nicht wie der wilde Rächer aussah, eher wie der zweite Sieger. Er aber war der erste Sieger geblieben. Er hatte in einem schlingernden und taumelnden Hubschrauber gestanden, er konnte sich gerade eben so auf den Beinen halten, und er versuchte verzweifelt, das Gefährt zu steuern. Die Äbtissin lag würgend und hustend am Boden, Jennerwein riss den linken, den Auf-Ab-Hebel nach oben. Entsetzt bemerkte er, dass sich der Hubschrauber zwar hob, gleichzeitig aber auch auf einen bewaldeten Hang zuflog. Er riss den rechten Hebel hoch, doch er raste immer weiter auf den Bergwald zu. Jennerwein wusste, dass er es allein nie schaffen würde. Er rüttelte den bewusstlosen Piloten, er ohrfeigte ihn, er zog ihn hoch.
»Sie müssen sofort übernehmen!«, schrie er ihn an. Der Pilot schlug die Augen auf. Er begriff die Lage sofort. Er rappelte sich auf, er wurde von Jennerwein zum Sitz gezogen. Ein paar Baumspitzen hatten sie schon gestreift, der Pilot manövrierte fluchend und schreiend, dann setzte er schließlich unsanft auf einer Waldlichtung auf. Die Landung stand so nicht im Lehrbuch, aber sie ging glimpflich aus. Die Äbtissin hatte sich schon wieder halb aus der Schlinge befreit, sie kroch den Boden entlang und streckte ihre Hand nach der Uzi aus. Doch in dem Moment stürmten Stengele und Hölleisen herein. Alle vier Mann waren nötig gewesen, um die Frau zu überwältigen. Drei Tage war das her, aber erholt hatte sich noch niemand im Team von den Strapazen.
Als die Rote Katz schon in Sichtweite war, stieß plötzlich eine dunkle Gestalt zu der Gruppe.
»Grüß dich, Michl!«, sagte Ostler. »Warst du auch auf der Beerdigung?«
Keine Antwort. Aber das war man gewohnt.
»Wir haben dich gar nicht gesehen.«
»Viele Leute.«
»Ja, freilich waren viele Leute da. Der Gansi hat es doch verdient, dass er eine schöne Leich’ mit vielen Reden kriegt. Schade, dass die Frau ohne Gesicht, die niemand vermisst, keine solche Beerdigung bekommt.«
Keine Antwort. Der Michl ging neben den Beamten her.
»Dankschön Michl, dass du uns geholfen hast«, sagte Ostler, der sich fast mit ihm angefreundet hatte.
Wieder Schweigen.
»Was ich bei dir im Keller gesehen habe«, fuhr er fort, »das hat mich schon recht beeindruckt! Ich habe selten so schöne Zeichnungen gesehen. Willst du denn weitermalen?«
Ostler warf einen Blick zum Michl hinüber. Er hatte eigentlich überhaupt keine Reaktion von ihm erwartet, doch jetzt sah er ein Glimmen in seinen Augen. Es war nur ein kurzes, helles Glimmen, das sofort wieder erlosch und den üblichen trüben, stumpfsinnigen Blick zurückließ.
»Mich täte es jedenfalls freuen, wenn du weitermalst«, sagte
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