Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Trauerzugs. Die Beratung der Trauernden. Die ganze thanatologische Palette eben. Sie waren natürlich wegen Rainer Ganshagel da, klar. Es tat ihnen von Herzen leid, dass sie ihm nicht mehr hatten helfen können. Aber das Leben geht weiter, und eine Beerdigung setzt auch manchmal einen Neuanfang. Der von Swoboda angeregte Plan mit den kleinen Goldgießereien, die dann kleckerlweise an viele Altgoldhändler verscherbelt werden sollten, war nicht das Richtige für die Graseggers. Ursel und Ignaz waren keine Kleckerer. Ihr Name war Klotz. Sie hatten schließlich einen Käufer gefunden. Einen einheimischen, weitsichtigen Privatier, der auf Gold setzte. Und der in schönen, nicht fortlaufend nummerierten und gebrauchten kleinen Scheinen zahlte. Ursel stellte ihre Tasche auf die Erde. Die Tasche wurde weggenommen. Und eine andere hingestellt. Kein Mensch achtete darauf, denn die Blasmusik hatte wieder begonnen, diesmal mit einem stimmungsvollen Trauermarsch.
»Jetzt sind wir wieder flüssig«, sagte Ursel leise.
»Vorerst zumindest«, erwiderte Ignaz. »Aber langfristig geht das nicht mehr so weiter. Wir können unseren Beruf nicht mehr ausüben. Jeder würde bei uns beerdigen, aber wir dürfen es halt nicht.«
»Und wenn wir in die Politik gehen –«
»Davon können wir wahrscheinlich nicht leben.«
Ignaz spielte auf die Idee mit der Bürgermeisterkandidatur an. Auch heute wieder waren die beiden von vielen Bürgern zum Kandidieren gedrängt worden. Sie hätten gute Chancen gehabt.
»Und was hältst du von meiner Geschäftsidee mit den Knöcherlputzern?«
»Die Sache, die du mit dem Swoboda ausgeschnapst hast? Ich weiß nicht so recht. Das müsste man noch einmal durchkalkulieren.«
Karl Swoboda befand sich ein paar hundert Kilometer weiter südlich. Ein gottverdammt lauer Abend senkte sich über die italienische Landschaft. Der Mond saß wie ein gelangweilter Silberdachs im Wipfel einer Pinie. Träge und gleichzeitig kraftvoll sprang er vom Ast ab und kletterte die stahlblaue Himmelswand hinauf. Kraniche trompeteten, Zikaden zirpten, Zitronen barsten. Karl Swoboda hatte den schweigsamen Tunesier an seinem Bestimmungsort abgeliefert, ein Gespräch mit ihm war kaum möglich gewesen. Die beiden Länder hatten auch keine große Geschichte miteinander. Swoboda parkte und trat in die stilvolle Villa von Padrone Spalanzani. Der Mafiaboss war ein großer Verehrer von Marlon Brando, er imitierte ihn perfekt. Opernmusik quoll aus den Lautsprechern, und das keineswegs gedämpft. Giuseppe, der Leibwächter, stand im Hintergrund. Padrone Spalanzani fuhr mit einer Gabel in einen Teller dampfender Pasta.
»Du hast gute Arbeit geleistet, Swoboda«, heiserte der Padrone.
»Danke, ich habe nur meinen Job gemacht«, erwiderte der Österreicher gezielt bescheiden. »Eine Frage habe ich aber schon. Warum wurde sie eigentlich Äbtissin genannt?«
Der Padrone machte ein listiges Gesicht. Ein Anflug von Stolz schwang in seiner Stimme mit.
»Ich war damals selbst mit dabei, als sie ihren Kampfnamen verpasst bekam. Ich habe ihr den ersten Auftrag gegeben, Treffpunkt war im Kuppelraum der Uffizien von Florenz.«
»Die Bildergalerie?«
»Ein Frauenporträt wird dir dort sofort auffallen. Es ist ein Ölgemälde des Renaissancemalers Matteo Ritornelli, es zeigt die Schwester des elften Herzogs von Poggionativo, die ja bekanntlich ins Kloster gegangen ist und später Äbtissin wurde. Die Ähnlichkeit dieser Duca della Poggionativo mit der ehemaligen Kunstspringerin ist frappierend. Niemand außer ihr hat so dagestanden. Wie eine Sprungfeder.«
»Verstehe. Seit diesem Treffen in den Uffizien hieß sie nur noch die Äbtissin.«
»Und diese bis dahin unbesiegbare Abbadessa ist von einem Provinzpolizisten ausgetrickst worden«, sagte Padrone Spalanzani. Er sagte es nicht ärgerlich. Er sagte es amüsiert, sogar eine Spur Bewunderung klang mit.
»Ja, da hast du recht, Padrone«, sagte Swoboda. »Man glaubt es kaum. Aber dieser Jennerwein hat mit seinen Leuten das geschafft, was kaum einer von uns geschafft hätte.«
Padrone Spalanzani stach mit der Gabel in ein Nest Strozzapreti.
»So einen wie den Jennerwein bräuchten wir in unseren Reihen«, sagte der Padrone langsam. Er hob das Glas mit bestem Montepulciano in die Höhe, kippte es und schüttete einen Schluck auf den Holzboden.
»Eine Opfergabe«, sagte er. »Für Marlon Brando.«
Die Beerdigung auf dem Viersternefriedhof im Kurort hatte ihren Höhepunkt mit dem Auftritt des
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