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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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mehrere Augenblicke stand die sternenklare Erkenntnis vor mir, dass ich besser daran tat, mich von Wim fernzuhalten.
    Die Augenblicke zogen sich hi n … bis wir vor der Tauschzentrale ankamen. Was soll’s, dachte ich. Es kann nicht schaden, sich den Laden mal von innen anzusehen.
    Dass auch in unserem Stadtteil vor Kurzem Tauschläden eröffnet worden waren, war mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Bis dahin war der Schwarzmarkt mit all seinen Risiken die einzige Möglichkeit gewesen, an Güter des täglichen Bedarfs zu komme n – Güter wie Schuhe, Mäntel und Bettzeug, Küchenwaren, Lampen und Radios. Razzien waren gefürchtet; nicht jeder konnte sich leisten, sechs Wochen im Gefängnis zuzubringen, von den saftigen Geldstrafen ganz abgesehen. Mehr als einmal waren Ooti und ich am Hauptbahnhof von Kindern angebettelt worden, deren Mütter angeblich wegen Wirtschaftsvergehen einsaßen. Anfangs hatten wir ihnen nicht geglaubt; inzwischen ahnten wir, dass die Kinder mit einiger Wahrscheinlichkeit die Wahrheit sagten. Viele hatten offenbar auch kein Zuhause; manchmal sah man ein halbes Dutzend von ihnen eng aneinandergekuschelt in Torbögen und unter Brücken ausruhen.
    Der erste Tauschladen, den wir ansteuerten, lag in einem Hinterhof. Treppenstufen führten hinunter in einen fensterlosen Kellerraum ohne Regale; die Waren lagen in langen Reihen auf dem Fußboden, und gemessen an der Anzahl der Leute, die an ihnen entlangschritten, würden sie nicht lange liegen bleiben. Meine eigenen Augen hatten sich an das flackernde Halbdunkel der Petroleumlampen kaum gewöhnt, da erspähte Wim bereits die Ecke mit den Töpfen. »Ha!«, rief er triumphierend.
    Seine Freude verging, als wir erkundeten, wie viel die Töpfe wert waren. Die Währung der Tauschzentralen waren Punkte, die man für die abgelieferte Ware gutgeschrieben bekam und einlösen konnte. Ein kleiner Topf kostete heutzutage den Gegenwert eines Teppichs, eines Taschenmessers mit vielen Klingen oder eines Schlafanzugs, ein großer Topf entsprach gar der Punktzahl eines Radios.
    Wims Gesicht wurde lang. »Der Kurs für einen Topf ist viel höher, als ich dacht e …«
    »Es gibt noch zwei andere Läden!«, ermunterte ich ihn.
    Denn eigentlich, das sah ich jetzt, war es eine gute Idee gewesen, es als Erstes in der Tauschzentrale zu versuchen: Alles, was Wollanks für ihren neuen Hausstand benötigten, fand sich hier. Wir entdeckten Matratzen und Bettzeug, Geschirr, Töpfe und Pfannen, aber auch Schuhe, Kleidung und noch etwas anderes: ein leibhaftiges Fahrrad, um das sich bereits eine kleine Traube Interessenten gebildet hatte. Einer der beiden Ladeninhaber blieb eigens die ganze Zeit bei dem Fahrrad stehen, damit es nicht zu Missverständnissen kam.
    Doch die Punktzahl für ganz alltägliche Dinge, die vor dem Krieg noch jeder besessen hatte, war fast unerreichbar. Zumindest, schränkte Wim ein, wenn man keine Zeit hatte, Teppiche oder Radios zu besorgen.
    »Lou und ich brauchen möglichst heute noch einen Topf«, meinte er.
    »Wieso nennst du deine Mutter Lou? Sie hat uns gestern gesagt, sie hieße Nora.«
    »Ja, aber hast du den Mehlsack gesehen, in dem sie herumläuft? Eine Spende von den Amis. Die Schrift vorne drauf, das hieß mal FLOUR.«
    »Sie möchte nach einem Stück von einem Mehlsack gerufen werde n …?«
    Wim grinste. »Nur bis es mit uns wieder aufwärtsgeht!«
    Nora Wollank, bis auf Weiteres Lou. Selten hatte ich etwas gehört, was mehr Sinn ergab.
    »Komm, lass uns einen anderen Laden probieren!«, wiederholte ich und zog Wim von dem Fahrrad weg, und als wir auf der Straße weitergingen, fiel mir auf, dass mein Bein zwar scheuerte, aber von Meter zu Meter weniger zu spüren war.
    In allen drei Tauschläden, die wir an dem Tag aufsuchten, gab es Kochtöpfe. Im zweiten Laden war ein kleiner dabei, in den nicht mehr als fünf Liter passten, aber die Punktzahl entsprach auch nur der eines Bügelbretts, wie wir im dritten Laden eins entdeckten. Das Brett war dort unter anderem einzutauschen gegen den Punktwert einer Packung Glühbirnen.
    »Gut für uns!«, meinte Wim. »Wir holen uns auf dem Schwarzmarkt Glühbirnen und danach im Tauschladen das Bügelbrett, und schon ist der Topf mein!«
    »Glühbirnen, du liebe Zeit. Weißt du, was die kosten?«
    In den nächsten Wochen sollte ich das schiefe Grinsen noch recht gut kennenlernen, das Wim immer dann aufsetzte, wenn er nicht sicher war, ob er mir trauen konnte. »Das geht schon in

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