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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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Genehmigung zur Herausgabe einer Helgoländer Zeitung bemühte.
    An diesem Tag erzählte er uns davon. »Wir brauchen etwas, was uns zusammenhält«, erklärte er. »Sie haben uns Helgoländer über ganz Schleswig-Holstein verteilt. Meine Schwester Erni und ich sind noch dabei herauszufinden, wer wo gelandet ist. Wenn ihr von irgendwem hört, teilt es uns bitte unbedingt mit!«
    »Das machen wir«, versprach Ooti und die beiden verglichen die Adressenliste, die James mitgebracht hatte, mit der Post von Freunden und Nachbarn, die uns inzwischen erreicht hatte. Viele waren im Kreis Pinneberg, etliche in Hamburg, wenn auch in anderen Stadteilen; sogar bis hinauf nach Sylt ging es. Cuxhaven, Wilhelmshaven und Bremerhaven hatten ebenfalls Helgoländer aufgenommen. Meine Freundin Gitte lebte mit ihrer Familie in einer Pferdebox in Wedel. Sie hatten einen richtigen Schrank darin stehen, einen Tisch und zwei Stühle, auf denen sie sich abwechselten und die nachts zusammengeschoben wurden, um Platz zu schaffen für die Strohsäcke. »Wenigstens«, schrieb Gitte, »haben wir auf dem Land reichlich zu essen und Foor ist auch schon wieder bei uns!«
    In all diesen Briefen waren wir bereits gebeten worden mitzuteilen, was wir von anderen hörten. Wir bekamen auch Botschaften aufgetragen, falls sich bestimmte Personen bei uns melden sollten, und schrieben zurück: »Wisst ihr etwas von unserem Foor?«
    Aber längst hatte sich Sorge in die Freude über die viele Post gemischt, die sich auf unserem Fensterbrett sammelte. Die Helgoländer waren nicht mehr zusammen! Sie waren über die ganze Zone verstreut, die einen hier, die anderen dort. Sie hatten sich trennen lassen wie wir.
    Nachts hatte ich Mem und Ooti flüstern hören: »Wenn wir uns Gehör verschaffen wollen, müssen wir als Gemeinwesen erkennbar sein. Wer soll denn für uns sprechen, wenn wir voneinander abgeschnitten sind?«
    Über James’ Idee mit der Zeitung waren wir ebenso erleichtert wie begeistert. Sie sollte »Mitteilungsblatt für die Hallunner Moats« heißen, das ist Halunder und bedeutet Helgoländer.
    »Unser Henry«, sagte Mem und blickte meinen Bruder stolz an, »könnte vielleicht etwas beitragen. Den ganzen Tag sitzt er neuerdings da und schreibt.«
    James’ freundliches Gesicht erstrahlte. »Ein Kollege! Das ist ja ein Ding!«, rief er.
    Henry errötete über beide Ohren. »Ich melde mich bei dir«, versprach James und das konnten keine leeren Worte sein, schließlich hatte er selbst bereits ein richtiges Buch geschrieben, das demnächst in richtigen Buchläden zu kaufen sein würde.
    James’ Besuch und die Neuigkeit über seine Zeitung waren so aufregend, dass wir erst, nachdem er gegangen war, wieder daran dachten, weshalb er uns eigentlich besucht hatte: Einer von uns musste es irgendwie schaffen, am kommenden Wochenende nach Cuxhaven zu gelangen. In einer Lagerhalle am Bahnhof wartete unser Hausrat! James hatte nicht sagen können, worum es sich im Einzelnen handelte; seines Wissens waren Kleidungsstücke, Mobiliar und Küchengegenstände auch nicht nach Haushalten geordnet und in Kisten verstaut, sondern hastig durcheinandergeworfen und mehr oder weniger haufenweise auf die Schiffe verfrachtet worden.
    »Die Engländer«, ergänzte er diskret, »sollen sich bei der Übernahme der Insel auch reichlich bedient haben. Erwartet also nicht zu viel.«
    »Ob meine gute Matratze dabei ist?«, träumte Mem. »Unsere Bettwäsche? Geschirr?«
    »Mein schöner Teewärmer ist bestimmt noch da«, meinte Ooti. »Was sollen die Engländer mit einem alten Teewärmer?«
    Henry dachte an seine Bücher, seinen Lederstrumpf und Winnetou; auch er wurde ganz unruhig, wenn er sich vorstellte, sie vielleicht bald wieder in Händen halten zu können. Aber ich selbst dachte: Moortje, Moortje, Moortje. Ich war die Einzige, die sich aufs nichts Bestimmtes freuen konnte, denn Moortje brachte mir kein Schiff zurück.
    Die bevorstehende Fahrt nach Cuxhaven beanspruchte Mems gesamte Planung, vom letzten Rest unseres Geldes für jenen Monat ganz zu schweigen. Mem und Henry würden zusammen fahren, um das zu erwartende große Gepäck zu tragen, aber wo in aller Welt bekam man einen weiteren Koffer her? Unsere beiden vorhandenen würden nicht reichen, doch es war die Zeit nach dem Einzug der Bolles und mit Frau Kindler war selbst über leihweise Abgaben nicht mehr zu reden. Broders und zwei weitere Familien, die mitfahren wollten, brauchten jedes einzelne ihrer Gepäckstücke für

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