Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
abreiben! Haben Sie schon Appetit auf ein leichtes Frühstück?“
„Mir ist noch etwas schwindelig, aber wenn ich liege, geht es mir gut. Hunger habe ich keinen, aber Durst.“
„Ihr Wunsch ist mir Befehl“, lächelte er „übrigens, nennen Sie mich bitte beim Vornamen, ich bin Rainer.“ Er ging aus der Kajüte und als er zurückkam, hatte er eine Tasse kalten Tee mitgebracht. „Aber jetzt muss ich mich um Ihren Mann kümmern. Frau Winter, ich möchte Sie ja nicht unnötig beunruhigen, aber ich habe den Verdacht, als ob es Ihrem Mann von Tag zu Tag schlechter geht.“
Franziska hörte seine Worte nicht. Das einzige, was sie wahrnahm, war die Tatsache, dass sie beobachtete, wie der fremde Mann die Bettdecke von ihrem Mann zurückzog und ihn mit kaltem Wasser abrieb. Sie lag genauso nackt unter der Decke wie Martin. Hat er mich auch gewaschen? dachte sie. Schamröte stieg ihr ins Gesicht. Rainer schüttete die Waschschüssel aus.
„Ich glaube, das können Sie ab heute wieder allein, oder?“
„Ja, äh – na klar“ stammelte Franziska, und hätte sich vor Verlegenheit am liebsten die Decke über den Kopf gezogen.
Rainer verließ den Raum und erst als Franziska sicher war, dass er nicht wieder zurückkam, stand sie langsam auf. Dabei hielt sie sich an den Möbeln fest, um nicht zu schwanken. Der kalte Tee tat ihr sehr gut, und sie fühlte sich gleich viel besser. Nachdem sie sich angezogen hatte, bürstete sie ihr Haar. Da sie noch schwach war, hielt sie sich beim Laufen an der Wand fest. An Martins Bett blieb sie erschrocken stehen. „Mein Gott, Martin, wie siehst du denn aus!“ Sie legte ihre Hand auf seine heiße Stirn und hatte das Gefühl, dass es ihm viel schlechter ging. Sie machte den Lappen nass, der auf seiner Stirn lag, und tupfte ihm damit den Schweiß von Gesicht und Hals. Plötzlich stellte Franziska fest, dass Sabrina fehlte. Sie verließ die Kajüte, um ihr Kind zu suchen. „Sabrina“, rief sie „Sabrina, wo bist du.“
Ein Matrose hörte sie rufen und sagte: „Beruhigen Sie sich, Frau Winter. Sabrina geht es gut, sie wird sicher das Schiff erkunden, oder sie sitzt beim Kapitän. Dort ist sie oft, die beiden unterhalten sich gegenseitig.“
„Könnten Sie mich bitte zu ihr bringen? Sie muss ihre Medizin einnehmen, Sabrina ist krank.“
„Was, sie ist krank? Also, davon habe noch nichts bemerkt. Der kleine Quirl machte auf mich einen sehr gesunden Eindruck.“
„Sie meinen sicher ein anderes Kind ...!“
Er schüttelte energisch den Kopf und unterbrach sie. „Kommen Sie, ich werde Sie zu dem Kind führen, das ich meine. Hier an Bord ist nur ein dreijähriges blondes Mädchen.“
Der Kapitän hatte Sabrina auf das Pult über dem Steuerrad gesetzt. Sie hatte die Kapitänsmütze auf dem Kopf. Diese war so groß, dass sie erst auf der Nase Halt fand.
Da Sabrina oft allein auf dem Schiff spielte, hatte sie aus Sicherheitsgründen eine Schwimmweste an.
„Schau mal durch das Fernrohr, da – da vorn, wo der Himmel ins Wasser fällt, was siehst du dort?“
Der Matrose brachte Franziska zu der Tür, die zur Brücke führte. Sie blieb stehen und betrachtete das Bild. Ihre Tochter saß vor dem Kapitän in einem putzigen Aufzug und schaute durch ein Fernrohr.
„Bäume sehe ich, ganz komische Bäume“, hörte sie Sabrina sagen und schaute in die gleiche Richtung. Allerdings sah Franziska nichts als Wasser.
„Das sind Palmen“, erklärte der Kapitän.
Sie öffnete nun die Tür vollständig, und durch das Quietschen drehten sich beide zu ihr um.
„Mami“, rief Sabrina aufgeregt, „ich sehe viele Palmen, aber nur, wenn man hier durchguckt.“
„Guten Morgen“, sagte Franziska, „ich suchte meine Tochter. Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich nicht um sie kümmern ...“
„Guten Morgen, Frau Winter“, unterbrach der Kapitän Franziska, „Sie brauchen sich für nichts zu entschuldigen. Sabrina und ich sind gute Freunde, und ich genieße ihre kindliche Unbefangenheit. Ich freue mich, dass es Ihnen wieder besser geht. Ist Ihr Mann auch auf den Beinen?“
„Leider, nein, ihm geht es noch sehr schlecht. Aber danke der Nachfrage. Mir geht es heute tatsächlich viel besser, so langsam gewöhne ich mich an das Schaukeln.“
„Schaukeln nennen Sie das, Frau Winter?“, lachte der Kapitän „na, dann warten Sie erst einmal ab, wenn wir um das Kap sind. Dann kann man vom Schaukeln reden. Ich habe aber nicht die Absicht, Ihnen Angst zu machen“, fügte er schnell hinzu,
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