Unterm Strich
Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse bestimmen werden, lässt sich mehr in einer nationalstaatlichen oder bilateralen Orientierung bewältigen - weder Handelsbeziehungen noch eine stabile Finanzarchitektur, weder Klima- und Umweltschutz noch Migrationsbewegungen, weder Rohstoff-, Nahrungsmittel- und Wasserversorgung noch Abrüstung und die Abwehr von Terrorismus. Ihre internationalistische Tradition sollte der SPD eigentlich Ansporn und Hilfe sein, sich zu einer international und europäisch orientierten und operierenden Partei zu entwickeln und aus dieser Aufstellung ihre Politik herzuleiten. Wenn eine linke Volkspartei wie die SPD in der Zukunft noch eine bestimmende politische Kraft sein will, dann wird sie über den nationalen Radius springen und sich im Verbund mit gleichgesinnten Parteien anderer Länder organisieren und auf internationale wie europäische Institutionen Einfluss ausüben müssen. In dieser Orientierung könnten die SPD und europäische Schwesterparteien einen Platzvorteil gegenüber konservativen Parteien haben, die eine teilweise noch manifeste nationale Gesinnung bis hin zu chauvinistischen Relikten auf dem Weg zu einer solchen Internationalisierung behindert.
4. Die SPD war in der Nachkriegszeit immer dann mehrheitsfähig, wenn sie drei Profile zur gleichen Zeit anbieten konnte: hohe soziale Kompetenz, wirtschaftlichen Sachverstand und den Anspruch, Plattform für die zentralen gesellschaftlichen Debatten der kreativen, unkonventionellen, politisch interessierten, aber freien Geister der Republik zu sein - der »public intellectuals« jedweder Herkunft aus Kunst, Kultur, Wissenschaft, Medien und Verbänden. Bei ihnen handelt es sich allesamt um Multiplikatoren, die sich niemals politisch instrumentalisiert fühlen dürfen, die aber für ein Forum gewonnen werden können, auf dem die Zukunftsfragen des Landes und seiner Gesellschaft kontrovers und mit neuen Ideen jenseits eingefahrener Gleise debattiert werden.
Anders als in den angelsächsischen Ländern sind in Deutschland die Sphären von Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft vergleichsweise abgeschottet. Die SPD wäre gut beraten, den Austausch zwischen diesen sich häufig verständnislos und fremdelnd gegenüberstehenden Welten nicht nur gelegentlich, sondern systematisch zu fördern. Dazu können Stiftungen einen Beitrag leisten; zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft - Topmanagern ebenso wie Gewerkschaftsvorständen - könnten nach amerikanischem Muster »think tanks« eingerichtet werden. Im Übrigen: Der CDU-Wirtschaftsrat hat deshalb Zulauf, weil die SPD nichts Gleichwertiges zu bieten hat. Ich habe auf dessen Veranstaltungen viele Teilnehmer getroffen, die gar nicht in der CDU waren und sich auch nicht als eingeschworene CDU-Wähler bezeichneten.
5.Das Soziale in der Politik reicht nicht! Darauf verlegt sich die SPD am liebsten, weil sie es am besten kann und dort die größten Wohlfühlerlebnisse hat. Dabei entgeht ihr allerdings, dass ihr wirtschaftspolitisches Bein zu kurz ist und sie deshalb im Kreis läuft. Die wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz - deren parteiinterner Stellenwert sich umgekehrt proportional zu den Prioritäten der Bürger verhält - muss in der SPD kontinuierlich und in der Breite ausgebaut werden, inhaltlich wie personell. Zwei oder drei Figuren im Schaufenster und der eine oder andere vernunftbegabte Vorstoß, der möglicherweise im sozial- oder umweltpolitischen Überschwang wieder konterkariert wird, sind nicht genug. In einem Unternehmen würde man das Fortbildungs- und Personalentwicklungskonzept auf solche Schwachstellen ausrichten.
6.Es gibt drei Schlüssel für eine gute Zukunft unseres Landes: Bildung, Bildung, Bildung. Kaum ein Land in der Liga, in der wir spielen, ist so abhängig von den Ergebnissen seiner Schul-, Universitäts- und Forschungslandschaft wie das rohstoffarme, exportorientierte und älter werdende Deutschland. Unser Bildungssystem ist jedoch erheblich unterfinanziert und weist ein erhebliches Reformdefizit auf.
Hier muss das zentrale innenpolitische Spielfeld der SPD liegen. Die Fragen sind höchst verschieden, aber im Kern geht es stets um das Gleiche: um die Produktivität und Innovationsfähigkeit einer alternden Gesellschaft, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (insbesondere für Frauen), die Gleichstellung von Mann und Frau, eine höhere Erwerbsquote, die Bekämpfung von Armut und Unmündigkeit, Chancengerechtigkeit für Kinder aus
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