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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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mußte die Spitze der langen, hyperdermischen Nadel freigebohrt, neu eingesetzt und neu verkleidet werden. Und dennoch kamen sie voran.
    Queenie untersuchte diese Vorfälle und lernte aus ihnen. Vom Verhalten des flüssigen und festen Gesteins, auf das die CORE-Geräte stießen – unter Bedingungen, die in keinem Labor nachgestellt werden konnten –, fand sie die Lösung des von ihr als »Penetrationsproblem« bezeichneten Sachverhalts: Wie ließen sich die Zugänge zu den Tauchbooten versiegeln?
    Sie kam mit ihren Ideen zu Marta. »Flüssigfilme verhärten sich, wenn wir sie zusammenpressen«, sagte sie. »Das scheint mir ein guter Ausgangspunkt zu sein.«
    Martas Erwiderung bestand aus einem Lächeln; sie hob einen Finger, der »warte« zu sagen schien, und rief auf ihrem Computer einen Index auf. Dann ging sie zum Regal, zog einen Ordner mit Zeitschriften heraus. »Manchmal ist es leichter, das, was man haben möchte, auf Papier zu finden«, sagte sie, als sie Queenies amüsierten Blick bemerkte, und schlug eine Zeitschrift auf. »Von Steve Granick aus Illinois; er schreibt – einen Moment – ›Eine gebundene Flüssigkeit, wenn sie nur genügend dünn ist, härtet sich, folgendermaßen, daß sie nicht abschert, solange keine kritische Scherbeanspruchung auf sie ausgeübt wird.‹ Das gilt nicht nur für irgendwelche Flüssigkeiten, sondern für alle. Natürlich spricht er hier von Schichten aus drei oder vier Molekülen.«
    »Diesen Toleranzspielraum werden wir nicht erreichen können«, sagte Queenie. »Ich denke, wir bräuchten eine Flüssigkeit, die wieder flüssig wird, wenn wir den Druck wegnehmen. Wollen Sie mit mir an diesem Problem arbeiten?«
    »Gerne.«
    Marta überließ die Büroarbeit Leidy und ihren Assistenten und gab sich freudig wieder dem Labor hin. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf Fullerene, sogenannte Buckyballs, hohle Kohlenstoffmoleküle. Ihre Experimente resultierten in einer Familie von flüssigen Verbindungen, die sich unter Normaldruck wie Schmiermittel verhielten, unter dem ungeheuren Druck des Erdmantels aber so fest wurden wie eine Schweißnaht. Queenie, die an ihrer Seite arbeitete, entwarf Geometrien, um diese Eigenschaften auszunützen.
    CORE kam unterdessen weiter voran. Ihre durchschnittliche Geschwindigkeit betrug, seitdem der Bohrer festgesessen hatte, einen vertikalen Kilometer verkleideten Bohrlochs pro Tag; wenn sie nicht aus dem einen oder anderen Grund pausieren mußten, schafften sie fast das doppelte.
    Die Russen hatten bei ihrer Bohrung auf der Halbinsel Kola etwas mehr als einen Kilometer im Jahr geschafft; allerdings mit den alten Methoden und dem alten Material – Rotationsbohrer und acht Meilen magnesiumlegierten Leitungen und acht Meilen Bohrschlamm. In den achtziger Jahren waren die Ölbohrstellen im südlichen Texas moderner ausgestattet, obwohl sie weniger geneigt waren, technische Risiken auf sich zu nehmen (ihre Experimentierfreude war gering und wurde bestimmt vom Ölpreis und der geringen Wahrscheinlichkeit, wirklich auf Öl zu stoßen). Statt in die Tiefe zu gehen, steuerten die guten alten Jungs ihre Rotationsbohrer waagrecht durch das Gestein und suchten nach vertikalen Rissen, die mit Öl gefüllt waren. Aber wenn diese Risse trocken, das Öl weggesickert war, dann war alles vorbei.
    Bei neunzig vertikalen Metern in der Stunde, eineinhalb Metern in der Minute, die der CORE-Bohrer und der Verkleider durch das Gestein zurücklegten, entsprachen vier Sekunden der Länge einer von Martas Pall Mall Filter-King Zigaretten. Über dem Hudderit-Bohrmechanismus stand eine Säule aus Lava. Wenn sie diese Geschwindigkeit beibehalten konnten, würde CORE in einem Jahr die Kern-Mantel-Grenze erreichten.
    Die Kern-Mantel-Grenze – hier würde COREs lange dünne Nadel in ein Meer aus flüssigem Eisen eintauchen. Queenie mußte bis dahin ihr Tauchboot – das, was die anderen CORE-Floater nannten – fertighaben, wollte sie das Programm nicht aufhalten.
     
    Jeder in der Gießerei trug seltsame Kopfbedeckungen aus Plastik, Overalls und Stiefel. Der Luftdruck war so hoch, daß dem Besucher der Wind ins Gesicht blies, wenn er die innere der Doppeltüren öffnete – alle Türen waren Doppeltüren. Der Wind sollte den Staub abhalten. Das Ziel hieß: kein Staub. Das Ziel war Perfektion.
     
    Weiße Keramikformen befanden sich in dem großen staubfreien Raum; ihre glänzenden Glasuroberflächen waren mit feinen Gravuren bedeckt, in denen die Elektronik verlaufen

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