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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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der Raum zwischen Leitung und dem Schacht mit Zement ausgegossen. Hunderttausende von Kubikmetern werden unter hohem Druck hineingepumpt. Dann, angenommen, man will aus dem Loch, das gerade ausgeschachtet und zementiert wurde, etwas herausholen, führt man Sprengladungen ein, läßt sie in die Schicht hinab, an der man interessiert ist, und zündet sie; durch den Zement, den Schacht und das umliegende Felsgestein werden Löcher gebrochen, Löcher, durch die das Gas oder Öl oder der Dampf in die Leitung dringen können.
    Nervös holte Marta eine Zigarette aus der Pall Mall-Packung, klopfte sie gegen ihr Desktop, zog den dichtgepreßten Zylinder einige Male unter ihrer Nase entlang und inhalierte das Aroma des Tabaks, während sie gedankenverloren in die winterliche Landschaft hinausschaute.
    Das CORE-Bohrloch würde keinen Schacht haben. Nach den ersten zehn oder zwanzig Kilometern funktionierten die traditionellen Bohrtechniken nicht mehr. Man konnte keine Leitung mehr in das Loch legen; man konnte keinen Zement mehr eingießen. Der Stahl würde sich verziehen und schmelzen, das Kalziumkarbonat würde in Flammen aufgehen, selbst wenn das Loch lange genug offen wäre, um Stahl und Zement einzuführen – was es natürlich nicht war.
    In den letzten Jahren hatten sie alle diese Probleme gelöst, zumindest theoretisch. Ihr Bohrer, eine Art Entkerner, der aus Hudderit bestand, war so konzipiert, daß er die Kräfte des lokalen Bebens absorbierte und übertrug, das entstehende zertrümmerte Gestein kanalisierte und durch die Mitte des Bohrgehäuses nach oben führte. Darüber lag eine lange Säule heißen Schlamms – eigentlich künstliche Lava –, die die Schockwellen des Bebens an die Oberfläche trug. Die Umkehrung des konventionellen Bohrers; seine Spitze war von außen nach innen und von unten nach oben gekehrt. Die O-Ring-Vibrationsunterdrücker waren einzigartig, eine Technologie, für die – so hofften Marta und Leidy erwartungsvoll – die beteiligten Unternehmen Hudder Research International einiges zahlen würden.
    Es wäre schön, wenn das CORE-Bohrloch vollkommen gerade wäre, da jede Abweichung von der Vertikalen Zeit und Geld kostete. Wenn es nicht gerade war, dann war es wichtig, daß es nicht holprig wurde. Es mußte noch während des Bohrvorgangs verkleidet werden. Verkleidet inmitten des eigenen Erdbebens. Die Verkleidungsmaschine saß auf dem Bohrer. Sie mußte an die Seiten des Loches vollkommen angepaßt sein.
    Die Verkleidungsmaschine aus Hudderit würde in einer Umgebung aus explodierendem Gestein arbeiten müssen. Greifer aus einer Wolframlegierung versiegelten den Arbeitsraum, gesintertes Wolframkarbid kühlte die Oberfläche, und zwischen den Greifern legte die Maschine ein spiralförmiges Sandwich aus Titanoxid und Hudderitfilm. Die Greifer, Dutzende davon, arbeiteten synchron; wie eine Raupe, die in ein Loch kriecht, gruben sich Bohrer und Greifer kontinuierlich vorwärts.
    Im Labor konnten die Arbeitsbedingungen nicht vollständig simuliert werden. In vierhundert Kilometer Tiefe mußte die Konstruktion der Maschine und die chemische Zusammensetzung der Auskleidung eine andere sein als in sechshundertundsiebzig Kilometer Tiefe, und in zweitausendneunhundert Kilometer Tiefe wieder eine andere. Man mußte die Phasenverschiebung von Wolfram, Wolframkarbid, Titanoxid und Hudderit kennen – ganz abgesehen von der Zusammensetzung des örtlichen Gesteins; und das in einer Genauigkeit, die erst dann gemessen werden konnte, wenn man auf das Gestein traf.
    In der Zwischenzeit wurden die unzusammenhängenden Laborergebnisse in parallelverarbeitende Computer gefüttert – Messungen über das Verhaltung der Materialien unter hohem Druck und normaler Temperatur, unter hoher Temperatur und normalem Druck, und alles, was dazwischen lag; Messungen über das Verhalten von mikroskopischen Chips, die im Diamantamboß ungeheueren Belastungen ausgesetzt und mit Laser erhitzt wurden, und den daraus sich ergebenden Extrapolationen der Temperatur, Druck, Größe und Struktur. Selbst mit einem Supercomputer war es nur möglich, zwei Dimensionen in die Gleichungen miteinzubeziehen, nicht aber drei. Die Theorie wurde zu Hilfe gerufen. Vermutungen aufgestellt.
    Marta sah wieder aus dem Fenster.
    An manchen Tagen zeigte der Winter Charakter – Schneeverwehungen, von der Sonne beschienener Schnee, gräßliche oder erfreuliche Ansichten –, heute aber präsentierte er sich charakterlos. Unter rußigem Matsch zeigte

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