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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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»Queenie, wenn du dort oben bist, wir haben hier ein wenig viel Feuchtigkeit im Rumpf, und diese beiden Typen hier schwitzen nicht mehr als die anderen mutlosen Feiglinge auch, also denke ich, daß diese verdammten Penetratoren …« Das war das letzte, was auf dem Band zu hören war. Denn in diesem Augenblick platzte der Titanrumpf der Vinland.
     
    In den Tagen und Wochen, die darauf folgten, wurde das Videoband endlos vor- und zurückgespielt; das Bild, das es wiedergab, zeigte einen Wasserschwall, der annähernd an der Stelle eines der Penetratoren im Rumpf hereinbrach, hart und flach. Er kam mit solcher Geschwindigkeit, daß kein Zweifel daran bestand, daß er auch für die andere, unbestreitbare Tatsache im letzten Sekundenbruchteil verantwortlich war – daß der Kopf des Piloten, bevor der Bildschirm erlosch, vom Rumpf abgerissen wurde.

 
NEW YORK CITY, SPÄTWINTER 1989
     
    Gregor Mattasow war ein kurzer, gedrungener Mann mit einem affenähnlichen Lockenhaarpony, weichen Augenbrauen, bonbonartigen Lippen und den rosafarbenen Wangen eines Renaissance-Puttos. Er war in seinen Vierzigern, hatte bereits mit zwanzig so ausgesehen und dürfte noch so aussehen, wenn er starb. Er trug seine Nerzfellkappe nicht aus Eitelkeit; er trug sie und seine Lederhandschuhe und den dicken Mantel, der ihn wie einen ausgestopften Bären aussehen ließ, weil es draußen kalt war. New York im Winter war ihm immer kälter erschienen als Moskau. Aber vielleicht trogen auch nur seine Erinnerungen.
    Er stieg aus dem Taxi, das ihn vom Lamont-Doherty Geological Observatory hierher gebracht hatte, und eilte die Stufen zur Subway hinunter. In der U-Bahnstation war es wärmer, er zog die Handschuhe aus und öffnete den Mantel. Lange bevor der Downtown-Express sich mit seinem Crescendo von aneinanderreihenden Eisen ankündigte. Er sah den Stern des Frontlichts in der Dunkelheit heller werden, roch die naßkalte Luft, die aus dem Tunnel strömte, und fühlte sich im letzten Moment von der Windlawine des vorbeirauschenden Zuges von den Gleisen zurückgestoßen. Wie immer schien das Ding nicht anhalten zu wollen, aber jeder am Bahnsteig konzentrierte seinen Willen, projizierte, psychisch gesehen, die vereinigten Willenskräfte auf das Ding – ABBREMSEN! ANHALTEN! –, bis es überwältigt war, nachgab und mit schrillem metallischen Kreischen und pneumatischem Stöhnen zu einem ruckartigen Halt kam.
    Gregor sprang an Bord und nahm an der Frontseite Platz, die vollständig mit Graffiti übersprüht war. Mit beiden Händen preßte er seinen Aktenkoffer an sich und schützte seinen Schoß. Das langsame harmonische Grummeln des Motors unter ihm war eine Bedrohung – War tet nur bis ich wie der komm … Wichser –, dann schlossen sich die Türennüstern und die Muskeln des Motors spannten sich, und der große Wurm bohrte sich wieder in die vergiftete Erde, schreiend und kreischend, während er wegfuhr.
    So reiste man unter der Erde, von weit draußen in der Stadt tief in ihr Zentrum. Gregor stellte sich vor, mit der U-Bahn doppelt so schnell, ohne Stopps, von New York City nach Cheyenne, Wyoming zu reisen. So ähnlich wäre es, das Bohrloch zum Erdkern hinabzufahren, wenn das Loch denn jemals gebohrt werden sollte. Natürlich müßte man den menschlichen Faktor mitberechnen.
    Er betrachtete den menschlichen Faktor. Keiner der müden und gelangweilten Leute im Zug stellte so weit eine Bedrohung dar; er würde sich wieder auf dem Rückweg Sorgen machen können. Jetzt aber war alles, was er zu tun hatte, sich auf das Treffen mit Vasily vorzubereiten.
    Er würde ein gutes Essen bekommen, soviel stand fest. Er hatte nichts gegen Vasilys gelegentliches anmaßendes Verhalten, noch gegen sein fanatisches Pochen auf Geheimhaltung, was verständlich und sogar notwendig war, obwohl es für Gregor, der es liebte, sich mitzuteilen, eine Bürde darstellte. Gregor wünschte sich, Vasily würde ihm etwas mehr von seiner Arbeit mitteilen, statt immerzu in Gregors Gehirn auf ziemlich einseitige Weise herumzupicken. Aber er verstand, daß Vasily sich in einer sehr prekären Situation befand und sich seiner Unterstützung nicht sicher sein konnte. Trotzdem war Gregor froh, ihm eine Hilfe sein zu können.
    So wie es Gregor sah, fing alles damit an, daß Vasily seine Hoffnungen auf die Ideen eines Thomas Gold richtete, diesen Astrophysiker aus Harvard – jetzt in Cornell, um richtig zu sein –, der seine Aufmerksamkeit der Geophysik zuwandte. Gregor hatte

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