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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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Schluck von dem steinharten Wodka. Vasily ließ ihm Zeit, das Getränk zu verdauen, dann fragte er: »Was hast du da in diesem Sack? Zeichnungen, vielleicht? Einige numerische Ergebnisse? Hast du was mitgebracht, das wirklich von Interesse ist?«
    »Einige Skizzen. Du hast bestimmt Gerüchte über das letzte Experiment gehört.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Man sagt, sie wollen versuchen, Bomben zu legen. Um den Kern zu beeinflussen. Bomben im Erdkern!«
    Vasilys Gesicht wurde hart. »Das ist keine originelle Idee.«
    Gregor war verwirrt. »Originell?«
    »Sacharow hat es als erster vorgeschlagen.« Vasily lehnte sich vom Tisch zurück. »Er wollte damit große Erdbeben verhindern. Oder zumindest den Zeitpunkt beeinflussen.«
    Gregor zuckte mit den Schultern. »Nun, es gibt viele wilde …«
    »Er war ein Genie«, sagte Vasily, »Andrej Dimitriewitsch.«
    »Erdbeben? Was genau willst du damit sagen?«
    Vasily versank in Erinnerungen. Dann nickte er. »Ein verwirrter und getäuschter Mann, ja. Erst ein Held, dann ein Verräter seines Landes. Dann wieder ein Held, irgendwie. Für manche. Aber immer ein Genie.«
    Gregor fand das Thema zu kompliziert, um es weiter zu verfolgen. Er schob einen Stoß Zeichnungen über den Tisch. »Es freut mich, dir mitteilen zu können, was ich weiß.«
    Vasily betrachtete sie. »Das sind konzeptionelle Zeichnungen. Konzepte eines Künstlers.«
    »Ich wünschte, ich könnte dir Einzelheiten überreichen. CORE hat mich noch nicht angestellt.«
    »Ich dachte, du wärst ein Insider, Gregor Gregorewitsch. Vielleicht solltest du einer werden.« Ihr Essen kam. »Wie sagt man hier? Nichts ist umsonst?« Vasily lächelte erneut. »Aber mach dir keine Sorgen, ich bin davon überzeugt, daß aus deinem geliebten CORE niemals etwas werden wird.«
    »Vasily!«
    »Welchen raison d’être gibt es? Keinen – falls das Universum den politischen Sponsoren nicht etwas wirklich Schreckliches zustoßen läßt.«
    Gregor wußte auf seinen Pessimismus nichts zu antworten. Überrascht mußte er feststellen, daß er so aß, wie er in den Jahren vor seiner Emigration gegessen hatte – als wäre es die letzte Mahlzeit in absehbarer Zukunft.
    Sicherlich war seine verzweifelt schnelle Nahrungsaufnahme nicht unbedingt eine genaue Widerspiegelung seiner hoffnungsvollen Seele; trotz Vasilys schwer verdaulichem Spott, war er – als er sich bereits wieder auf dem Rückweg befand – so optimistisch wie immer. Er hegte keinen Zweifel, daß er ein Insider werden würde, ein CORE-Insider, und das ziemlich bald.
     
    Fast den gesamten Morgen hatte Marta auf ihrer Tastatur herumgehackt und ihre Maus stranguliert. Zwischen Wutausbrüchen, die dem Computer galten, starrte sie aus dem Fenster.
    Stahlhallen, graue Dezemberfelder über Brookhavens gepflügte Straßengräben – ein Krähenschwarm vor dem drohenden Himmel. Sie starrte auf das Bücherregal. Sie kannte jeden trockenen technischen Titel auswendig. Sie las fast jedes Buch ganz. Sie starrte auf den Graphikbildschirm, auf die verworrenen blaßfarbigen Polygone, mit denen sie sich abmühte.
    Das waren die Bohrwerkzeuge, das Ende des Bohrlochs, das die Arbeit verrichtete. Die Bohrer würden durch Felsen schneiden, die unter so hohem Druck standen, daß sie explodierten, würde man sie freilegen. Die Bohrer würden sich durch kontinuierliche Erdbeben vorarbeiten.
    Ein sehr kleines Erdbeben, das sich noch weiter abschwächte, bis es die Oberfläche erreichte und dabei die Eigenschaft einer ausgezeichneten Informationsquelle besaß. Man konnte dem Bohrer durch Seismogramme nachgehen, ihm nachfühlen, man konnte ihn dort unten regelrecht spüren, wie er eindrang. Indem man ihn erspürte, indem man ihn hörte, konnte man sich das Unsichtbare vorstellen. Das war die Theorie.
    Aber dieses wandernde Hyperzentrum, diese konstante gewalttätige Implosion des Tiefengesteins schuf eine schwierige lokale Umgebung.
    Ein gewöhnliches Bohrloch ist ein ziemlich unregelmäßiges Loch, das wegen der Rotation der Bohrer dazu tendiert, eine spiralförmige Gestalt anzunehmen – es weicht von der Vertikalen ab, verändert sich von einer Gesteinsschicht zur anderen, ist manchmal breiter, manchmal schmaler, und ist mit sogenannten Voogs durchsetzt, wie sie die Ölleute bezeichnen. In einem gewöhnlichen Bohrloch ist das okay. Erst bohrt man es, dann wird es ausgeschachtet, dann mit Zement verkleidet. Dann wird die Leitung gelegt, Stück für Stück wird sie nach unten gelassen, anschließend

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