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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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Enttäuschung – eine Sackgasse. Er schien gefangen, dort, wo er war; bald würde er Gesellschaft bekommen.
    Er suchte und fand einen engen Nebenabfluß. Die Wände waren hier nicht so steil. Fast schien der Weg nach oben ein leichter Spaziergang. Er zog seine Sandalen wieder an. Er würde nur einige Schritte den Abhang hinaufgehen. Wenn es zu schwierig werden würde, hatte er noch genügend Zeit, umzukehren.
    Einige Schritte, dann noch einige. Gut, er konnte nicht den gesamten Weg aufrecht stehen. Er wollte nur noch erkunden, ob es einen Weg nach oben gebe. Nur noch ein wenig.
    Vielleicht gab es einen Weg nach oben. Aber er hörte im natürlichen Amphitheater unter ihm das Echo von Schritten und verärgerte Stimmen. Er rollte sich seitlich weg, hinter einen Sandsteinkegel. Er versuchte, zusammengekauert in seinem engen Versteck, die Stimmen unten zu verstehen. Leidy konnte einige Worte Arabisch – genug, um das »Bibsi Cola«-Schild im Dorf vor sich hersagen zu können (das Arabische hat keinen P-Laut) –, aber er verstand keine einzige der Berbersprachen.
    Die Männer sahen die Furchen, die er im Lehm hinterlassen hatte. Sie taten einige Schritte, sahen nach oben und hielten inne. Stupide, sagte einer. Französisch, nicht schwer zu übersetzen. Cette route là, pas possible. Leidy verstand auch dies; wenn sie glaubten, er könne diesen Weg nicht nehmen, dann laß sie es glauben.
    Aus seiner schattigen Spalte konnte er nur einen dünnen Streifen des hellen östlichen Himmels erkennen. Seine Farbe war einzigartig, ein metallisches Blau. Er würde solange warten, bis sie gingen. Er wünschte, er hätte etwas zu essen mitgenommen.
     
    Der Mittag ging vorüber, dann ein endloser Nachmittag. Leidy wartete, zusammengekauert in der steilen Felsspalte hinter dem Vorsprung, aber sie gingen nicht. Der Himmel verdunkelte sich; Dunkelheit kam über den schmalen Ausschnitt, den er sehen konnte, Sterne zogen auf, wenig später der wächserne Mond, begleitet von silbernem Schein. Die Nacht war kalt.
    Er entspannte sich, unterdrückte das Zittern und spähte vorsichtig hinaus. Er fürchtete, einen verräterischen Kieselschauer auszulösen. Fahle Gestalten drängten sich um das Feuer aus Zweigen von Wüstensträuchern. Sie kochten Tee. Der Duft von Minze und Holzkohle ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Dann hörte er die Laute eines Mannes, der ernsthaft krank war.
    Die Kälte schüttelte ihn. Er war nun mehr als neun Stunden in die enge schattige Spalte gepreßt. Obwohl es ihm nicht leichtfiel, sich zu bewegen, kroch er so leise wie möglich aus der Spalte, zog seine Sandalen an und begann zu klettern.
    Der Abhang war nun steiler, der Rand war noch immer ein gutes Stück über ihm. Er war überrascht, daß seine Verfolger nicht das Kullern der Steine hörten, die in ihre Richtung fielen; er fragte nicht nach seinem Glück. Er kletterte weiter, bis der Pfad aufhörte.
    Leidy mußte erkennen, daß er nicht mehr zurück konnte, selbst wenn er es wollte. Er konnte nicht mehr die Vertiefungen für die Hände und Füße unter ihm finden, die, als sie noch über ihm waren, im hellen Mondlicht sicher und natürlich erschienen. Ein falscher Tritt, und er würde sich auf eine lange Talfahrt begeben.
    Eine halbe Stunde brauchte er, um auf Knien und Ellbogen weitere vier oder fünf Meter voranzukommen. Er riß sich die Haut auf, ermüdete und saß schließlich fest. Die letzte vertikale Schicht machte ihm einen Strich durch die Rechnung: zusammengepreßter Schotter, die ersten Steine, die er ergriff, lösten sich. Als sie nach unten stürzten, erzeugten sie ein Getöse, das Tote aufwecken konnte.
    Er verrenkte sich den Hals in die eine Richtung; bei den Männern, tief unter ihm, sah er keine Bewegung. Er verrenkte ihn in die andere Richtung und betrachtete die Sterne am klaren nächtlichen Himmel. Der obere Rand befand sich noch immer fast zwei Meter über seinem Kopf.
    Er war ein großer Mann, doch weiter konnte er sich nicht strecken. Zusammengepreßter Sand und einige Steine waren alles, was sein Gewicht trugen, acht Stockwerke über dem Grund des Wadi. Seine Zehen waren einen Zentimeter tief in die Klippe gegraben, seine Beine begannen zu zittern.
    Mit seiner linken Hand umfaßte er das Bruchstück einer schwarzen Platte, die aus dem losen Konglomerat über seinem Kopf herausragte. Wieviel von ihr eingegraben war oder wie tief sie im Boden steckte, ließ sich nicht sagen – nicht viel, nahm er an. Mit seiner Rechten faßte

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