Unternehmen Grüne Hölle
Spur
zu kommen?
Er wandte sich stadteinwärts. Kein
Blick zurück. Für einen Moment noch sah sie seinen plumpen Umriß hinter der
Hecke. Dann geriet er aus ihrem Blickfeld, und die Straße war leer. Nur der
Regen fiel, und eine graue Katze schlich über die Fahrbahn.
Johanna hörte, wie ein Wagen abfuhr.
Sie stützte sich auf die Fensterbank.
Ein Schluchzen schüttelte sie. Tränen strömten. Sie war so kreuzunglücklich,
daß sie die Stirn an die Scheibe lehnte.
Was für ein Tag! Ausradieren -
vergessen müßte sie ihn! Erst verlor sie ihre kostbare Uhr und jetzt dies!
Immer noch schluchzend, horchte sie in
sich hinein. Wem galten ihre Tränen? Beweinte sie ihre eigene Hilflosigkeit?
Daß sie gezwungen wurde, diesen Verbrechern den Raub zu ermöglichen? Nein! Das
war schicksalhaft und letztlich weniger schlimm als ein Beinbruch. Aber was
ihre Mutter jetzt erlitt — das konnte sie nachfühlen. Bestimmt war sie halbtot
vor Angst. Und ohne ihr Beruhigungsmittel würde sie zittern wie Espenlaub —
unentwegt!
Und das dauert noch bis morgen mittag —
bis nachmittag! dachte sie. Wie sollte ihre Mutter das aushalten?
Sie richtete sich auf. Ihr Blick
stellte sich ein auf die Straße.
Eben tauchte dort eine Gruppe auf
Rädern auf: vier Jugendliche von unterschiedlichem Wuchs, drei Jungs und ein
Mädchen.
Erst als sich Johanna die Tränen aus
den Augen wischte, erkannte sie, um wen es sich handelte.
Da hatten die TKKG-Freunde ihre
Drahtesel bereits an den Zaun gestellt und kamen durch den Vorgarten zum Haus.
3. Was plant Tim?
Nanu! wunderte sich Tim. So aufgelöst
hatte er Johanna, die ihnen eben die Tür öffnete, noch nie gesehen. Sie sah
verheult aus, als würde sie hauptberuflich Zwiebeln schneiden.
„Hallo, hallo!“ rief Gaby neben ihm.
„Wir haben…“ Sie stockte. „Was ist denn, Johanna? Haben Sie Kummer?“
Die Schwimmtrainerin schnüffelte.
„Schon vorbei, Kinder. Mir... mir...
aber das ist unwichtig! Kommt rein, ja!“
„Sicherlich Freudentränen“, zischelte
Klößchen, der mit Karl in der zweiten Reihe stand. „Sie ahnt, daß wir nicht mit
leeren Händen kommen. Ist ja stark, wie sie an ihrer Uhr hängt.“
„Du hängst auch“, sagte Gaby über die
Schulter nach hinten. „Nämlich völlig durch. Und zwar geistig.“
Johanna hörte nichts von alldem. Sie
war voraus geschlurft: auf Pantoffeln, die außen rosarot — und innen
gleichfarbig gefüttert waren.
Im Wohnraum, wohin ihr die vier Freunde
folgten, ließ sie sich in einen Sessel fallen.
Merkwürdig! dachte Tim. Sie wirkt
nicht, als hätte sie einen Todesfall in der Familie — oder sich versehentlich
mit dem Hammer auf den Daumen gehauen. Sie wirkt absolut verzweifelt. Hat sie
ihre Stellung verloren?
Gaby räusperte sich. „Was auch immer
Ihr Kummer ist, Johanna, vielleicht tröstet es Sie: Wir haben Ihre Uhr
gefunden.“
„Lag auf Bahn 3 unter Wasser“, fügte
Klößchen hinzu. „Oh!“
Johanna hatte sich geschneuzt, stopfte
ihr Taschentuch in den Pulloverärmel und nahm von Gaby die Uhr entgegen.
„Und sie ist noch heil. Ihr seid
tüchtig. Wie soll ich euch danken? Wenn ich nicht wüßte, daß die TKKG-Bande
immer hilfsbereit ist, hätte ich jetzt ein schlechtes Gewissen. Ihr habt eure
Zeit geopfert. Wie kann ich das gutmachen?“
Sie redet wie ein Automat, empfand Tim.
Als müsse das gesagt werden. Aber sie hört selbst nicht hin. Sollen wir jetzt
beleidigt sein? Ein Blödmann wäre das. Wir dagegen sehen glasklar: Sie steht
völlig neben sich. Da hat irgendein Ereignis nicht nur die Tränen gelöst,
sondern an ihrer Seele gerüttelt. Haben die Terroristen und Anarchisten mal
wieder ihre Sau rausgelassen? Oder was ist gelaufen?
Ohne die Glotzer zu scharf
einzustellen, beobachtete er — sozusagen unter Halbmast-Lidern — , wie Johanna
ihre Uhr ans Handgelenk kettete, mit dem Goldglieder-Armband, ohne ihr dabei
einen Blick zu schenken.
Überhaupt: Ihr Blick war total leer —
trotzdem ein einziges Notsignal.
„Aufdringlichkeit“, sagte er, „ist
eigentlich nicht unser Stil. Aber wir sehen auch nicht zu, wie jemand von Gram
zerfressen wird. Was ist los, Johanna?“
Sie wich seinem Blick aus. „Ach,
nichts!“
„Wenn es eine Herzensangelegenheit ist
— wie Liebeskummer oder dazugehöriges Leid — , frage ich nicht weiter. Ist es
das?“
„Wie bitte? Nein, nein!“
„Also was anderes“, stellte er fest.
„Und alles andere fällt in unsere Zuständigkeit. Da können wir helfen, und Sie
brauchen
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