Unternehmen Wahnsinn
bekommen sie wohl die Verantwortung, aber keine Rechte, Mittel oder Befugnisse dafür. Es gibt Manager, die eine Führungsspanne von Tausenden von Leuten haben – mit einem Verantwortungsgebiet, das sich mindestens über einen ganzen Kontinent erstreckt. Ihre einzige echte, uneingeschränkte, gremienunabhängige Befugnis lautet: Sie dürfen die Verzehrbons unterschreiben, die ihre Mitarbeiter einreichen, wenn sie Kunden in die Betriebskantine einladen.
Andere Büro-Pärchen, die immer seltener etwas miteinander zu tun haben, heißen: Anstrengung und Zielerreichung. Oder: Leistung und Ergebnis. Denn wenn organisational tatsächlich einmal etwas erreicht wurde, ist das selten materiell sicht- und fühlbar, sondern dann geht es zum Beispiel um »die Freigabe von Mitteln« – die auch schnell wieder einkassiert sind. Wo endlich einmal etwas sichtbar wird – eine neue Lampe ist produziert –, da ist dann oft der Urheber (und »Produzent«) bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Zuschreibung von Geleistetem an einen oder eine Einzelne ist fast nicht mehr möglich. Das heißt auch: Wo etwas schiefläuft, lässt sich die Verantwortung dafür ebenfalls nicht mehr zuordnen. Und, mindestens genauso unerfreulich: Der Grad an Anstrengung, der für eine Sache, ein Thema, ein Produkt aufgewandt werden muss, ist oft umgekehrt proportional zu dem, was herauskommt.
Ganz persönlich hinterlässt die zunehmende Auflösung von Ursache und Wirkung das frustrierende Gefühl der Wirkungslosigkeit. »Womit habe ich heute den ganzen Tag verbracht«, stöhnt der Mitarbeiterchor. »Und was habe ich erreicht?« An diesem Punkt setzen so zuverlässig wie symptomatisch die individuel-
len, verklärenden Wunschphantasien ein: Wäre ich doch bloß Tapezierer, Taxifahrerin, Bergbäuerin oder Biowollschalverkäufer geworden.
Der Mensch, das wirkungslose Wesen
Das Symptom der gefühlten Wirkungslosigkeit ist eines, das schmerzt. Es tut weh, wenn der eigene Bedeutungsverlust zum Vorschein kommt: Kein Ergebnis »deutet« mehr geradewegs auf mich als Urheberin – und meine Anstrengung bedeutet nur meine Anstrengung. Sonst nichts. Schon gar nicht mehr gilt der Kontext, den einst die Eltern behauptet haben: »Du musst dich nur anstrengen, dann klappt es auch.« (Ganz davon abgesehen, dass niemand mehr dieses »Es«, worum es im täglichen Arbeitswahn geht, genau beschreiben kann.)
Der Mensch will Wirkung erzielen, der engagierte erst recht. Seit der Entdeckung der »analen Phase«, in der das Kleinkind voller Stolz auf sein vollbrachtes Geschäft zeigt, liebt der Mensch das Business. Er liebt es, etwas machen zu können, Ergebnisse vorzuweisen, zum Beispiel »Erfolge«: Auch hier zeigt sich allerdings eine klammheimliche Auflösungserscheinung. Er-Folge sind keine ursächlichen Folgen (von etwas) mehr, sondern meist eine Sache des »Labelings«. Erfolge stellen sich nicht mehr ein, wie weiland ein leckeres Brot die logische Folge von guter Backkunst war, sondern Erfolge werden proklamiert und genau da platziert, wo sie nach Ansicht von wem auch immer genau jetzt zu erscheinen haben. Die Erfolgskriterien sind oft finanztechnischer Art; sie hängen nur noch sehr lose mit der Güte der Waren zusammen. Komplizierte Kennzahlenverrechnungen und eine bisweilen eigens ausgeklügelte Bilanztechnik bestimmen, ob eine Abteilung Erfolg verbuchen(!) kann oder nicht.
Auf der individuellen Ebene spielt sich der Erfolgskampf im Meeting ab: Wer schafft es als Erster, die wenigen guten Nachrichten zu verkünden – und auf diese Weise an sich zu binden? Und wer war dieses Mal zu langsam und muss die Megaprobleme des neuen Projektes beichten? Er wird sie dann jedenfalls sehr klein reden und darstellen müssen, denn nur so kann er sich gegen das Loser-Labeling schützen. Wer genau wofür genau verantwortlich ist – dieser Zusammenhang ist ja außer Kraft gesetzt; entscheidend ist: wer mit was »in Verbindung gebracht« wird.
Das Problem ist die Loslösung
Zu den klassischen Loslösungsphänomenen gehört auch der Nichtimmerzusammenhang zwischen Gehalt und Leistung. Und was ist mit der Verbindung von Ausbildung und Kompetenz? Hat die Profession noch etwas mit der Funktion zu tun, in der jemand arbeitet? Bestandene Prüfungen, beurkundete Ausbildungen verwiesen einmal auf ein bestimmtes Können. Sie waren Teil des professionellen Selbstverständnisses. »Nein, ich bin Juristin (mit beiden Staatsexamen), nicht Betriebswirtin« – diese Zurechtweisung ist
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