Unternehmen Wahnsinn
genügen. Auch ein unbefristeter Vertrag schützt nicht vor Kaltstellung. Besser, sie beginnen sofort damit, ihr Image zu polieren und permanent Feedback einzuholen, ob sie ankommen, wie sie ankommen. Besser, sie hören gar nicht mehr auf damit, bei den richtigen Leuten den richtigen Eindruck zu hinterlassen.
Weit verbreitet sind dabei befristete Zweckgemeinschaften der gegenseitigen Belobigung. Applaudierst du mir, applaudiere ich dir. Befristet sind sie, weil die Beteiligten sich irgendwann selber zur Konkurrenz werden. Dann gilt es, sich ab- und anderen Spieglern zuzuwenden.
Kernkompetenz Windmachen
So viele Erfolgsgeschichten wie heute waren noch nie zu hören im alltäglichen Betrieb. Als existierte die Wunde der Bedeutungslosigkeit nicht, werden Lebensläufe aufgedonnert, Power-Profile gestanzt, Erfolgsstorys in Umlauf gegeben. Dass die Inflation der Selbst-Behauptungen diese im selben Moment auch entwertet, peitscht den Kreislauf nur weiter an.
Die Vor-Spiegelungen funktionieren auch umgekehrt: Wenig hat im direkten Arbeitszusammenhang eine so unmittelbare Wirkung wie ein gut platziertes Lob. Der Unterschied zwischen aufrichtiger Anerkennung und gezielter Schmeichelei, mit dem Ziel, noch eine weitere Tanzeinlage vom Kandidaten gratis zu bekommen, verschwimmt. Die härteste Strafe ist jedenfalls die Nichtbeachtung. Und um hier den arg strapazierten Begriff der Wertschätzung kurz anzutippen: die Klage, dass es heutzutage viel zu wenig davon gibt, deutet sehr auf diese tiefe Angst vor der Bedeutungs-, sprich Resonanzlosigkeit hin. Dahinter lauert die kaum verhohlene Bitte: »Sag mir, gibt es mich? Bin ich gut? Bin ich schön? Bin ich wichtig?«
Der gut ausgebildete Narzisst, der das von sich selber absolut sicher weiß, den ein katastrophales Feedback gar nicht erreicht, geschweige denn irritiert, ist gar nicht mehr so oft anzutreffen. Zahlreicher sind die Zweifelnden, die aber nicht zu unrecht glauben, dass sie sehr viel selbstverliebter und selbstsicherer werden müssten, um mitspielen zu können. Wir kennen die aparte Abschiedsfloskel für Casting-Show-Kandidaten, die ohne Foto oder Vertrag nach Hause müssen: »Du musst noch an deinem Selbstbewusstsein arbeiten.« Gemeint ist natürlich die Selbst-Behauptung.
Impression-Management für Einsteiger
Die Business-Vokabel für Eindruckschinden heißt nicht Casting-Show, sondern »Impression-Management«. Dabei wäre »Cast« das durchaus passende Wort. Es bezeichnet ursprünglich den Gießling, der dem einfließenden Blei seine Form »eindrückt«.
Für den richtigen Eindruck zu sorgen ist eine Kunstform, die sehr viel Arbeit macht; die Überwindung, Durchhaltevermögen, Disziplin, Erfindungsreichtum und Risikobereitschaft erfordert. Impression-Management bedeutet konkret zum Beispiel, für die wichtigen Meetings und Shows überhaupt eine Einladung zum Mitspielen zu ergattern. Im Grunde egal, mit welchem Thema. Falls genügend Geigenspieler vorhanden sind, dann muss man schon mal auf Trompete umstellen, und falls auch dort Gedrängel herrscht, hole man die alte Trommel aus den Datenkellern des Vorjahres hervor, bespanne sie neu und behaupte kühn, dass ohne sie das ganze Ensemble den richtigen Ton nicht finden werde. So schafft man es auf die Teilnahmeliste – und das Trommelsolo steht auf der Agenda.
Diejenigen, die dieses Mal leider draußen bleiben mussten, dürfen dafür wenigstens ausgiebig lästern. Über die Industrieschauspieler, die Blender, die Wichtigtuer. Sie können behaupten, sie wollten da ja gar nicht rein. Und wo sie schon mal draußen stehen, stehen sie natürlich auf jeden Fall drüber, über diesem Theater.
Drinnen ist es in der Tat auch gar nicht so lustig. Denn hier läuft jetzt die Performance-Show – und schließlich wird auch das Urteil gefällt. Drei Varianten der Aburteilung sind für die Teilnehmer möglich: 1. Unsichtbar geblieben, aber überlebt. Das ist respektabel. 2. Überraschend einen Treffer gelandet; das ist selten und produziert Glücksbotenstoffe respektive Neid respektive umfangreiche Zusatzarbeit. 3. Gedemütigt worden, vor versammelter Mannschaft. In diesem Fall kann es nur heißen: Aus der Türe des überhitzten Meetingraums wanken, hinaus in den Flur zu den lästernden, aber interessierten Zaungästen, und das Lächeln anknipsen. Denn Einsteckenkönnen ist eine Schlüsselkompetenz – die inzwischen allerdings gelernt, um nicht zu sagen internalisiert ist. Hatte ein Kandidat nämlich Glück und eine gute
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