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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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führte und dort abbog, runter nach Los Angeles. Ich würde einfach den ganzen Weg bis Ely auf der 6 bleiben, sagte ich mir, und zog zuversichtlich los. Um auf die 6 zu kommen, musste ich zum Bear Mountain hinauf. Voller Träume, was ich in Chicago, in Denver und schließlich in San Francisco machen würde, stieg ich an der Seventh Avenue in die Subway und fuhr bis zur Endstation an der 242nd Street und nahm dort einen Trolley-Bus nach Yonkers hinein; im Zentrum von Yonkers stieg ich um in einen Bus nach Außerhalb und fuhr bis zum Stadtrand am Ostufer des Hudson River. Wenn du eine Rose in den Hudson wirfst, an seinem geheimnisvollen Ursprung in den Adirondacks, stell dir nur vor, wo sie überall vorbeikommt, während sie für immer ins Meer hinausschwimmt – stell dir nur das wunderschöne Hudson-Tal vor. Ich fing also an mit der Tramperei. Fünf verschiedene Wagen brachten mich zu der erwünschten Bear-Mountain-Brücke, wo die Route 6 im Bogen aus Neuengland hereinschwenkt. Als ich dort endlich ausstieg, fing es an, in Strömen zu regnen. Nicht nur dass es dort keinen Verkehr gab, es schüttete wie aus Eimern, und weit und breit war nichts, wo ich mich unterstellen konnte. Ich musste rennen und unter ein paar Fichten Deckung suchen; das nützte nichts; ich fing an, zu heulen und zu fluchen, und schlug mich vor den Kopf, dass ich so ein verdammter Esel war. Ich war gute sechzig Kilometer nördlich von New York; den ganzen Weg hatte ich mir schon Sorgen gemacht, dass ich an diesem meinem ersten großen Tag immer nur nach Norden fuhr, statt in den heißersehnten Westen. Jetzt saß ich an der nördlichsten Ecke meiner Wegstrecke fest. Ich lief einen halben Kilometer bis zu einer hübschen aufgegebenen Tankstelle im englischen Cottage-Stil und stellte mich unter das tropfende Dach. Hoch über mir schickte der mächtige borstige Bear Mountain Donnerschläge durch die Gegend, die mich Gottesfurcht lehrten. Ich sah nichts als dampfende Bäume und schaurige Wildnis, bis in den Himmel hinauf. «Was, zum Teufel, mache ich hier?», fluchte ich und schrie jammernd nach Chicago. «Die anderen haben jetzt alle den größten Spaß, sie machen dies, machen das, und ich bin nicht dabei, wann werde ich endlich dort sein!» – und so weiter. Schließlich hielt ein Auto vor der verlassenen Tankstelle; der Mann und die zwei Frauen darin wollten die Landkarte studieren; ich trat vor und gestikulierte im Regen; sie berieten sich, ich sah aus wie ein armer Irrer, klar, mit meinem klatschnassen Haar und meinen triefenden Schuhen. Meine Schuhe, verdammter Idiot, der ich bin, waren mexikanische Huaraches, geflochtene Sandalen wie ein Sieb und für die Regennacht über Amerika und die rauen Nächte auf der Landstraße ungeeignet. Aber die Leute ließen mich einsteigen und nahmen mich weiter nach Norden mit, bis nach Newburgh, was mir immerhin besser schien, als die ganze Nacht in der Wildnis am Bear Mountain festzusitzen. «Außerdem», sagte der Mann, «gibt es keinen Durchgangsverkehr auf der 6. Wenn Sie nach Chicago wollen, sollten Sie lieber in New York den Holland-Tunnel nehmen und weiter Richtung Pittsburgh», und ich wusste, der Mann hatte recht. Mein Traum aber war in die Binsen gegangen, diese blöde, am häuslichen Herd ausgeheckte Idee, dass es wunderbar sein müsse, einer einzigen großen roten Linie quer durch Amerika zu folgen, statt es auf verschiedenen kleineren und größeren Straßen zu versuchen.
    In Newburgh hatte der Regen aufgehört. Ich lief hinunter zum Fluss, und ich musste nach New York mit dem Bus zurückfahren, zusammen mit einer Delegation von Schullehrern, die von einem Wochenende in den Bergen zurückkamen – plapper-plapper blah-blah. Ich fluchte, dass ich so viel Zeit und Geld vergeudet hatte, und sagte mir immer wieder: Ich wollte doch nach Westen, und jetzt bin ich den ganzen Tag und bis in die Nacht hin und her gefahren, nach Norden, nach Süden, wie einer, der nicht richtig in Gang kommt. Ich schwor mir: Morgen werde ich in Chicago sein. Und um sicherzugehen, stieg ich in einen Autobus nach Chicago, gab den größten Teil meines Geldes aus – und scherte mich einen Dreck darum, Hauptsache, ich würde morgen in Chicago sein.

drei
    Es war eine ganz normale Busfahrt mit schreienden Babys und brütender Sonne und Farmersleuten, die in Pennsylvania in einem Städtchen nach dem anderen zustiegen, bis wir auf die Ebene von Ohio kamen und wirklich losbrausten, vorbei an Ashtabula und quer durch Indiana bei

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