Unterwelt
aussah.
Panik setzte ein. Er versuchte, sich etwas zu überlegen, das er sagen konnte. Vielleicht irgendwas über den Hund. Er spähte durch die Plastikplane, vielleicht war der Hund irgendwo kurz zu sehen. Daß es nichts gibt, was dreckiger wird als Plastikplanen, die den Schmutz festhalten, aufsaugen.
»Vielleicht solltest du aber. Eine Brille gibt dem Menschen Ausstrahlung. Hol dir eine mit einem dicken, dunklen Gestell, das zu deinem Schlips paßt.«
Er wußte nicht, warum Bud so mit ihm redete. Bud saß mit gekreuzten Beinen über dem schmalen Spalt im Boden. Er hielt den Hammer untätig auf der Schulter und schaute Richard direkt ins Gesicht. Richard versuchte zu lächeln, die ganze Sache ins Scherzhafte zu ziehen. Er spürte, was für einen dummen Gesichtsausdruck er hatte, als könnte eine kleine Mundbewegung die Außenwelt verändern.
»Ich kann ja mal drüber nachdenken.«
»Tu das.«
»Wahrscheinlich sollte ich jetzt zurückfahren.«
»Sie wird bedauern, daß sie dich verpaßt hat.«
»Richte ihr von mir aus.«
»Mach ich ganz bestimmt.«
Der einzige Mensch, mit dem er je frei von der Leber weg redete, war Sue Ann. Wenn er mit ihr am Telefon sprach, hatte er das Gefühl zu existieren. Sie gab ihm das Gefühl, als er selbst Gestalt anzunehmen, in die Gestalt hineinzukommen, die er immer hatte annehmen wollen, zu dem zu werden, was und wer er wirklich war. Es war wie ein Ausfüllen – schon mal das Gefühl gehabt, daß lauter Dinge aus dem Mittelpunkt dessen, was man ist, hervorströmen und die Gestalt der beabsichtigten Person annehmen? Genau das schaffte Sue Ann, und man mag es nicht glauben oder es verachten, aber er war noch nie wirklich er selbst gewesen, bis er mit ihr gesprochen hatte.
Er hörte, wie Bud Holz rausrupfte, als er zur Tür hinaus und zu seinem Auto ging.
Da streunen geisteskranke Killer in der Welt umher, und die Jungs an der Kasse tragen Krawatte.
So was hätte Bud vielleicht gesagt, dachte er.
Er rief Sue Ann aus einem Haus an, in das er eingebrochen war. Schaltete den Fernseher ein und rief den Supersender in Atlanta an und berührte alles nur mit Taschentuch und brachte den Stimmverzerrer, den er auf den Anzeigenseiten eines Söldnermagazins entdeckt und bestellt hatte, auf dem Telefon an. Keine Zeitschrift, die Richard normalerweise las. Er war kein Wachmann oder Waffenliebhaber. Seine Pistole war die alte 38er seines Vaters. Sie hatte keine massive Aufhaltekraft und konnte keine Betonblöcke durchschießen und machte keine faustgroßen Löcher in die Zielscheiben-Silhouetten. Sie tötete einfach nur Leute.
Er fuhr aus der bewaldeten Gegend heraus und in den weiten Himmel hinein, wo die Straße zum Überschwemmungsgebiet hin absank, und er spürte die wahre Kraft des Windes.
Er rief an und schaltete den Fernseher ein, oder umgekehrt, ohne Ton, seine Hand in ein zusammengelegtes Taschentuch gewickelt, und noch nie war ein Gespräch für ihn so mühelos gewesen, sei es am Telefon oder vis-à-vis oder von Mann zu Frau, wie an jenem Tag mit Sue Ann. Er betrachtete sie da drüben und redete hier mit ihr. Er sah ihre stumme Lippenbewegung in einem Teil des Zimmers, während ihre Worte weich und warm in die Windungen seines geheimen Ohrs drangen. Er sprach zu ihr am Telefon und nahm Blickkontakt mit dem Fernseher auf. Da erwachte in ihm das Wissen, daß er existierte. Diese Frau mit den Augen eines Aliens, deren phantastisches Haar irgend etwas ausstrahlte, das sein Herz erstaunte . J e weiter die Zeit voranschritt, desto selbstbewußter sprach er. Er wurde allmählich er selbst, scheu, aber auch ohne Scham, sogar ein bißchen eitel und ehrlich und gewitzt, ausweichend, wenn nötig, während er da in einem fremden Wohnzimmer stand, neben einer Lampe ohne Schirm, und sie hörte zu und stellte Fragen und sah ihn von dem drei Meter entfernten Bildschirm an. Sie hatte eine solche Ausstrahlung, daß sie ihn existieren lassen konnte.
Dies war eine unbefahrene Straße. Du kannst dreißig Meilen weit auf dieser Straße fahren und nicht einem Auto begegnen. Du siehst Starkstromleitungen, die sich bis an den Rand des Gesichtsfeldes ausdehnen und zur Erde sinken, alles eine Angelegenheit der Perspektive. Wenn der Wind erstirbt, legt sich eine Spannung über das Land, die dich an die Stille vor dem Jüngsten Gericht denken läßt.
Dann Schnitt zu dem Videoband. Er mißtraute dem Band, weil es einen Blickwinkel hatte, der sich von seiner Wahrnehmung unterschied, und er dachte die
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