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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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mit tatsächlichen körperlichen Symptomen einher, Hitze, Rötung im oberen Rückenbereich und zugeschnürter Kehle.
    Er überlegte sich etwas anderes, das er sagen konnte.
    »Linkshänder, das hab ich neulich gelesen.« Hier machte er eine Pause und versuchte, sich an die umständlichen Sätze in der schmalen Zeitungsspalte zu erinnern. »Linkshänder, zu denen ich nicht gehöre, haben in der Regel eine kürzere Lebenserwartung als Rechtshänder. Rechtshändige Männer leben zehn Jahre länger als linkshändige Männer. Glaubst du das?«
    »Wir reden von, ist das gemein, Lebenserwartung.«
    »Linkshändige Männer sterben in der Regel im Alter von, glaube ich, fünfundsechzig.«
    »Weil sie Richtung Nordpol wichsen«, sagte Bud, eine Bemerkung, aus der Richard kein Fitzelchen Inhalt herausanalysieren konnte.
    Er sah Bud zu, wie er Nägel aus den alten Dielenbrettern zog, und bot seine Hilfe an, suchte nach einem Klauenhammer. »Also, Richard.«
    »Was?«
    »Du bist fünfzig Meilen gefahren, um mir mitzuteilen, daß mein Telefon gestört ist.«
    Richard wußte nicht, ob das die Vorbereitung für eine von Bud Wallings ätzenden Bemerkungen war oder nur ein gewöhnliches Dankeschön.
    »Vierzig Meilen, Bud.«
    »Oh, da bin ich aber erleichtert. Ich würde dir ja ein Bier anbieten, aber.«
    »Macht nichts.«
    »Vielleicht fährt dann Aetna fünfzig Meilen. Weiß ich nicht genau.«
    Es lag nicht außerhalb von Buds tatsächlicher Reichweite, etwas Persönliches über seine Frau zu sagen, etwa zu ihren sexuellen Vorlieben oder ihren Verdauungsproblemen, und immer wenn er ihren Namen erwähnte, hielt Richard den Atem an, voller Hoffnung und Angst, jetzt käme etwas Intimes, und obwohl er wußte, daß Bud das machte, um ihn zu schockieren und abzuschrecken, saugte Richard jedes Wort und Bild und Geruchsdetail auf, wobei er Buds langes, zerfurchtes Gesicht unablässig nach Anzeichen für Spott absuchte.
    »Sie wird es schade finden, daß sie dich verpaßt hat«, sagte Bud und schaute von dem verrotteten Holz und dem in der Luft stehenden Staub hoch.
    Richard war kein Linkshänder, hatte sich aber beigebracht, mit links zu schießen. Bud würde niemals verstehen, daß er seine Gefühle bekennen mußte, um seiner Isolation zu entfliehen. Er hatte es sich aufgrund der These beigebracht, daß, wenn man mit der rechten Hand fährt und dicht an der Tür sitzt, es praktisch gesehen besser ist, die rechte Hand am Steuer zu lassen und die linke Hand aus dem Fenster zu strecken, die Schußhand, damit man nicht am eigenen Körper vorbei schießen muß. Er hätte mit Bud vermutlich schon darüber reden können, und vielleicht hätte Bud ihn auch verstanden. Aber er würde niemals begreifen, daß Richard alles bekennen und mit anderen teilen mußte, ein Teil der Geschichte der anderen werden mußte, denn das war die einzige Möglichkeit zu entkommen, den popligen Details dessen, der er war, zu entrinnen.
    Bud sagte gerade: »Sagt der Bulle, Füße zusammen, Kopf zurück, Augen zu, bitte. Wo Aetna lachen muß, wie er bitte sagt. Und jetzt die Arme ausbreiten, sagt er. Nun die linke Hand rübernehmen und die Nase mit dem Zeigefinger berühren. Wo ich da im strömenden Regen stehe, und er gibt mir Anweisungen vom Auto aus. Berühren Sie Ihre Nase mit dem Zeigefinger, sagt der zu mir.«
    »Wenn du als Linkshänder am Steuer sitzt, ist die Wahrscheinlichkeit fünfmal so hoch, daß du bei einem Unfall stirbst.«
    »Wie bei einem Rechtshänder.«
    »Wie bei einem Rechtshänder«, sagte Richard, felsenfest überzeugt.
    Bud rupfte ein Brett aus dem Boden. »Nicht mein Problem.«
    »Meins auch nicht.«
    »Ich sterbe an Streß«, sagte Bud. »Ich will dir mal sagen, wie hoch mein Streßlevel ist.«
    Richard wartete auf den Rest. Früher hatte er in einer Glaskabine im Supermarkt gesessen und Schecks und eingelöste Coupons gestapelt und dem Kassenpersonal zusammengerolltes Kleingeld gegeben, aber anscheinend hatte er irgendwann irgendwelchen Mist gebaut, denn bald saß er wieder draußen an der Kasse, zog die Artikel über den Scanner und tippte Obst und Gemüse in die Registrierkasse, der beiläufigen Mißachtung jedes dahergelaufenen Fremden ausgesetzt.
    »Wir müssen unser Geschäft draußen erledigen, weil die Toilette noch nicht für den Aufenthalt von Menschen bereit ist. Also habe ich draußen ein Ding gebaut, wobei die einzige machbare Methode daraus besteht, daß man sich halb aus der Toilette, denk ich mal, raushängt. Und Aetna, tja, du

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