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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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kannst dir's vorstellen.«
    »Wenn sie von der Arbeit heimkommt.«
    »Der Streß wird richtig persönlich.«
    »Und diese Fahrt hinter sich hat«, sagte Richard.
    »Und sie muß mal. Und dann fällt es ihr wieder ein. Es gibt keine funktionierende Toilette in dem Haus. Und sie wirft mir einen geradezu mordlustigen Blick zu.«
    Die redeten ein unglaubliches Zeugs, fettleibige Frauen an der Schnellkasse, wo er zwei kranke Eltern zu Hause hatte, oder der eine krank, der andere übellaunig, zum Beispiel das Tomatenmark ist 16 Cents runtergesetzt, oder das ist keine rote Birne, das ist eine An-jau. Sie zwangen ihn, quer über den Gang zu fragen. Sehen Sie nicht, daß die nicht rot ist? Er hat hier rot eingetippt, dabei ist das eine An-jau. Er mußte quer über den Gang mit der anderen Kasse reden, und jeder Kunde in beiden Warteschlangen konnte ihn hören.
    »Mir persönlich macht das nichts aus«, sagte Bud. »Es liegt ja auch ein gewisser Sinn darin, sein Geschäft draußen zu erledigen. Wenn man darüber nachdenkt, worum es geht.«
    Dieses Gerede von einem Schädelhirntrauma. Dieses Gerede, ob er adoptiert oder mißbraucht wurde. Das einzige Problem ist das Intervall. Wenn man aus dem Fenster auf der Fahrerseite feuert – was man tun muß, wenn man nicht quer durchs eigene Auto und über die Entfernung zwischen dem eigenen und dem anderen Auto hinwegschießen will –, dann hat man immer noch das Problem zu lösen, daß man nun über den Abstand zwischen den Autos hinweg und durch den anderen Wagen hindurch schießen muß, denn die Fahrerseite des anderen Wagens ist auf die eigene Position am Steuer bezogen die weiter entfernte. Man wird ja keinen Fahrgast erschießen. Wenn man das täte, wäre der Fahrer imstande, eine Fluchtaktion zu unternehmen und die Autonummer zu notieren, den Wagentyp und die Haarfarbe und so weiter. Also sollte man einsame Fahrer erschießen, und zwar aus dem Fenster auf der Fahrerseite, wobei man die linke Hand benutzt, um die Waffe zu halten. Tatsächlich ist es aber so, wie er mit der Zeit herausfand, daß, wenn man mit der rechten, der natürlichen Hand schießt, das Projektil dieselbe Entfernung zwischen denselben Räumen überwindet, jedenfalls so ziemlich, wie bei der selbsterlernten Methode mit der linken Hand. Er fand das nach Opfer Numero fünf oder sechs heraus, bei welchem genau hatte er vergessen, beschloß aber, bei der linken Hand als Schußhand zu bleiben, obgleich es viel sinnvoller war, mit der linken Hand zu steuern und der rechten zu schießen. Denn die rechte war die geborene Hand dafür.
    »Ich habe gerade gemerkt, was ich mir nicht erklären konnte«, sagte Bud.
    Sie hörten den Hund bellen, und Richard starrte durch die staubigen Planen und sah, wie sich das Tier am Ende seiner Kette auf den Hinterbeinen aufrichtete, mit strammen Hundeeiern, und er hoffte, daß Aetna vielleicht früh nach Hause käme. Aetna hatte ihnen einmal eine Pastete mit einer Gitterkruste gemacht. Das war etwas, woran er sich erinnerte. Als er begriff, daß sie jetzt gar nicht nach Hause kam, sondern wahrscheinlich irgendein Vieh im Wald den Hund hochbrachte, wurde er über alle Maßen traurig. Es war aber auch alles außer Proportion geraten. Der Wind hieb gegen die Planen, bis sie zitterten und ploppten. Crack-Kokain soll angeblich die am stärksten abhängig machende Droge sein, wie Langzeitstudien ergeben haben.
    »Du trägst eine Krawatte«, sagte Bud.
    Richard hielt inne, argwöhnisch, wie er das verstehen sollte, und spähte innerlich voraus, nach einem Hinterhalt, einer möglichen Bemerkung.
    »Tja, das ist wegen der Arbeit«, sagte er. »Ich bin von der Arbeit nach Hause gefahren und habe mich nicht mehr umgezogen.«
    »Aber du trägst Schlips? An der Lebensmittelkasse?«
    »Das ist Firmenvorschrift, im ganzen Staat, so ziemlich.« Ganz ruhig, dachte er.
    »Und dann ist da diese Sache, die Aetna gesagt hat, wo sie zur Abwechslung mal recht hat. Daß du aussiehst wie einer, der 'ne Brille trägt. Bloß trägst du keine. Bloß wie sie es gesagt hat, waren wir uns nicht mehr sicher. Wir haben uns gefragt, trägt er nun eine oder nicht?«
    »Noch nie«, sagte Richard.
    Anfangs, als er die ersten Male ins Haus kam und Bud ihn kaum bemerkte, war es wie die Alltäglichkeit des Sterbens. Ein leeres, hohles Ding, als ob man gar nicht da wäre. Eine Fahrt von vierzig Meilen ins Durchsichtigsein, furchtbar, aber nicht ungewohnt. Und jetzt dieses Überprüfen, von wegen was er trug und wie er

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