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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Kontakt-Bar. Er merkte, daß ihr Handgelenk an den Pfosten gekettet war. Das war ihm noch nie aufgefallen, und er fand es, na ja, vielleicht ein bißchen theatralisch. Oder fanatisch und irrational und möchtegern-opfermäßig. Sie schaute ihn kurz an, während er sprach. Er war mit dem Sich-mal-Kennenlernen-Teil durch und sprach gerade über die notwendige Bereitschaft und über die Torheit, sich Illusionen über die Absichten der anderen Seite zu machen.
    Er gebrauchte keine Worte wie amerikanisch und sowjetisch. Sie erschienen ihm irgendwie provokativ. Oder NATO und Europa und Ostblock und Berliner Mauer. Zu früh, um so vertraulich zu werden.
    Sie schaute ihn nur kurz an. Es war kein feindseliger Blick, aber er war kurz. Sie hatte etwas Geschrubbtes an sich, wie eine geschmirgelte Oberfläche, und schien wegzuwollen vom normalen Anhäufen und Sammeln, und er fand, ihr stand die Zugehörigkeit zur armen Landbevölkerung ins Gesicht geschrieben.
    Er sprach zu ihr über die Notwendigkeit, unsere Waffen den ihren ebenbürtig zu machen, selbst wenn die Zahlen absurd wurden, denn dies schien die einzige Absicherung gegen einen Angriff von egal welcher Seite zu sein.
    Sie war hellhäutig, sah aus wie geätzt und fixiert, mit glattem, strähnigem Haar, und er hielt sie für wahrhaftig und beeindruckend und unerreichbar.
    Sie standen auf einem flachen und geraden Stück Highway, wunderschön und einsam, und wenn du schon so eine Arbeit machst, mußt du dann nicht, dachte er, auch fanatisch sein? Hierfängt derIII. Weltkrieg an. Erwartete er nicht genau das von diesen Leuten, eine Art sonnenerleuchtete religiöse Zeugin?
    Er sagte ihr, er sei absolut willens, sie anzuhören. Aber sie wollte nicht mit ihm reden. Sie stand an den Pfosten gekettet und schaute weg, über die Straße weg ins Irgendwo. Er konnte ihre Arroganz nicht verachten, weil sie nicht arrogant war. Sie war nicht klüger oder vernünftiger oder weniger schuldig. Die anderen sind bewaffnet, sagte er, und deshalb müssen wir auch bewaffnet sein. Sie umklammerte den senkrechten Pfosten und schaute über die Straße, blaue Augen mit eingebautem Zusammenzucken, und er ging zurück zu seinem Auto und fuhr weg.
    Erics Wäsche hüpfte auf der Leine. Sie schoß gerade nach vorn und hielt sich steif im Wind.
    »Ich denke an meine Tage im Handschuhkasten«, sagte er. »Wie ich den heißen Pluto anpackte. Selbst innerhalb der kleinen, engen, versiegelten Grenzen des Kastens wurden Fehler gemacht. Kannst du mir ruhig glauben. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen und Datenlisten und Inspektoren machten die Leute immer noch erstaunliche Fehler. Und ich steckte also meine Hände in die Handschuhe und dachte komischerweise an meine Mom, die eine irre empfindliche Dame war und beim Geschirrspülen immer Gummihandschuhe anzog, damals in den friedlichen Tagen, als wir noch unsere eigenen Leute bombardierten.«
    »Ich fahre morgen«, sagte Matt.
    »Laß mir deine Jacke da, wenn du fährst.«
    Matt trug eine leichte Kalblederjacke, aus diesem weichen Leder, das sich bei jeder Berührung ver- und entknüllt, und Eric äußerte ständig den Wunsch, diese Jacke zu besitzen, egal wie unterschiedlich ihre Größen waren.
    »Ich denke, ich werde sie wohl mitnehmen, für die weniger wilden Teile der Tour.«
    »Der Geschmack ist metallisch, sagen die Luftströmer. Du öffnest die Tür und trittst nach draußen, um die Zeitung zu holen, die der Zeitungsjunge mit seinem Fahrrad auf die vordere Veranda geworfen hat, und du schmeckst eine Art metallische Körnigkeit in der Luft, wie Salz vom Metallhobeln. Kommst du heut abend zu unserer Party?«
    »Kann ich mir doch nicht entgehen lassen«, sagte Matt.
    »Dein Kind kommt mit reinweißen Augen auf die Welt. Keine erkennbare Pupille oder Iris. Nur ein großer weißer Augapfel. Zwei, wenn du Glück hast.«
    Eric nahm den Playboy vom Sofa und hielt ihn seitlich, wodurch das Centerfold aufklappte und er das Girl des Monats in voller Länge sehen konnte.
    Er fragte: »Wo genau fährst du hin?«
    »Wo es abgelegen ist.«
    »Noch abgelegener als hier?«
    »Ich hab mir ein paar Landkarten angeschaut.«
    »Aber noch abgelegener als hier?«
    »Wo die asphaltierten Straßen enden.«
    »Du bist ein Stadtkind, Matty.«
    »Ich hab mir Südwest-Arizona angeschaut, vielleicht.«
    »Ich will diese Jacke, wenn du stirbst.«
    Wenn die Bombenköpfe eine Party schmissen, konnte man nicht erwarten, wieder in der Welt aufzutauchen, die man vorher gekannt hatte. Und

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