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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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muss, ist, dass wir Moral einfach nicht verordnen können.« Perkins lächelte mich väterlich an. »Und ich heiße nicht Mr. Freud, so leid es mir tut, das zu sagen.«
    Ach, süß. Eine soziale Herausforderung. Moral nicht verordnen können. Ich blieb fest. An der Tür drehte ich mich um.
    »Sagen Sie mir das eine, Mr. Perkins. Wieso setzen Sie soviel Zeit daran, Geld für diese Schule zu sammeln? Und sich über ihren guten Ruf Gedanken zu machen?«
    »Weil Geld …« – er zögerte einen Augenblick und streckte wieder seine Hände aus –, »Geld die … Hefe ist, die … die Fähi g keit der Schule aufgehen lässt, die bestmögliche Erziehung zu ve r mitteln. Unser Ruf ist wie eine Aura …«
    »Stimmt das? Na gut. Sie mögen einen riesigen Teigklumpen an Verantwortung haben, Herr Direktor, aber ohne Moral wird er z u sammenfallen. Eine Aura ist eine flüchtige Sache. Oder, anders ausgedrückt, selbst eine Schlange weiß, wann sie im Dreck kriecht. Ta-ta.«
    Zu Hause zwang ich mich, nicht mehr an die Schule zu denken und befasste mich statt dessen mit dem Bußmahl in vier Tagen, der Lesung in der Buchhandlung am selben Abend und dem Frü h stücksbüfett für Samstagmorgen. Gott sei Dank war ich zum Abendessen bei Schulz eingeladen. Allerdings musste ich vorher einige Menüs zusammenstellen, Lebensmittel bestellen und ein ernstes Gespräch mit Arch führen.
    Für den Imbiss der Geistlichkeit wählte ich Dreiecke aus g e röstetem Sauerbrot mit Pesto, gefolgt von florentinischer Seezunge und Obstsalat. Das Originalrezept für den Bußkuchen schrieb einen üppigen Teig vor, der eine Buße darstellen sollte, wie mein Koc h buch besagte. Der Sünder, ein französischer Bäcker im 13. Jah r hundert, hatte gebeichtet, das Brot zu teuer verkauft zu haben. Der Priester seiner Gemeinde hatte ihm als Buße auferlegt, den Dor f bewohnern am Karnevalsdienstag süßen Kuchen zu schenken. Die Strafe soll dem Vergehen entsprechen, sage ich immer.
    Bei der Veranstaltung in der Buchhandlung sollte es gut gereifte Weichkäse – Gorgonzola, Brie und Camembert – für die woh l etablierten Erwachsenen und Schokobiscottis für die Jugend geben. Allemal besser als das süße Zeug, das die sie an Halloween e r bettelten.
    Dabei fiel mir etwas ein. Da ich am Morgen nach der Lesung in der Buchhandlung zeitig zu den Prüfungen in der Schule sein musste, hatte ich das Vergnügen, am Samstag morgen um vier Uhr früh frische Mais-, Blaubeer- und Hafermuffins zu backen. Danach dürfte ich wohl ganz versessen darauf sein, mich um eine ganze Schar nervöser, hungriger Abschlussschüler zu kümmern.
    Arch zockelte herein und stöhnte, kein gutes Zeichen. Im Laufe des Sommers war Arch Julians Bann verfallen. Auf dem Gebiet der Kleidung bedeutete das, Sweatshirts aller Art zu meiden und die Schulkleidung sorgfältig auszuwählen, Hosen gegen das Licht zu halten, um zu prüfen, ob sie farblich zu einem bestimmten Hemd passten, und im Secondhandladen am Ort Lederjacken und au s gebeulte Hosen anzuprobieren, bis er Julian so ähnlich sah wie nur möglich. Doch die drei Hemden in Blau- und Grautönen, die Arch heute morgen sorgsam übereinander geschichtet hatte, hingen ihm nun in unordentlichen Zipfeln über die graue Baumwollhose. Sein Gesicht war unnatürlich blass; seine Augen hinter der Brille waren gerötet.
    Ich sagte: »Ich habe die Schlange gesehen.«
    Er schleuderte seine schwere Schultasche über den Küche n boden. Die Schultasche, eine weitere Neuerwerbung, hatte seinen alten Ranzen ersetzt. Nicht, dass die neuen Bücher viel benutzt würden. Arch ließ sich schwer auf einen Küchenstuhl fallen. Er sah mich nicht an und kämpfte gegen das Zittern seiner Unterlippe an.
    »Arch, hast du eine Ahnung, wer …«
    »Mama, lass!«
    »Aber ich mache mir solche Sorgen! Und diese geschriebene Warnung! Was petzen? Was weißt du, das du verpetzen könntest?«
    »Mama! Hör auf, mich wie ein Baby zu behandeln!«
    So kamen wir nicht weiter. Ich fragte: »Wo ist Julian?« Seit Arch nicht mehr mit dem Schulbus nach Hause kam, nahm Julian ihn gewöhnlich im Wagen mit.
    »Hat mich abgesetzt und ist zum Büro der Zeitung gefahren.« Er rückte sich die Brille zurecht und seufzte wieder, als wolle er sagen: Du bist vielleicht neugierig. »Zum Mountain Journal. Okay? Kann ich jetzt gehen? Ich will nichts essen.«
    Ich überhörte das. »Arch, ich muss mit dir noch über deine Noten sprechen …«
    »Die siebte Klasse ist für alle schwer! lass die Noten nur

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