Untitled
meine Sorge sein!«
»Machst du dir Sorgen über deine Noten? Kommen die anderen auch schlecht mit?« Ich schlug einen anderen Ton an. Versuche es auf die sanfte Art, befahl ich mir. »Meinst du, wir müssen wieder zusammen eine Therapie machen?«
»Toll! Das ist einfach toll!« Das Gesicht meines Sohnes sah blass und wütend aus. »Ich komme nach einem schrecklichen Tag nach Hause, und du machst alles nur noch schlimmer!«
»Mach’ ich nicht!« brüllte ich. »Ich will dir nur helfen!«
»Klar!« schrie er, bevor er türeknallend hinausstürmte. »Das merkt man!«
Soviel zur psychologischen Betreuung Heranwachsender. Ich sah auf die Uhr: viertel vor fünf. Zu früh für einen Drink. Ich knallte Bratwurst auf einen Teller, kochte Spinat und hausgemachte Nudeln, die ich eingefroren hatte, schrieb den Jungen einen Zettel, wie sie sich alles zum Abendessen heiß machen sollten und dachte über die Selbstmordrate der Eltern v on Teenagern nach. Die Selbsterhaltung verlangte von einer alleinerziehenden Mutter allerdings, nicht über solchen Gedanken zu brüten. Wenn es schlimmer wird, versprach ich mir, gehen wir wieder in Therapie. Arch hatte schließlich nicht selbst den Stein geworfen oder die Schlange aufgehängt.
Da ich wütend war, fand ich es ratsam, mich zu beschäftigen. Ich schnitt Butter in Mehl und rührte Buttermilch, Kümmel, Rosinen und Eier unter zu einem sämigen Teig für irisches Sod a brot. Ich gab ihn in eine Backform und ließ ihn backen, während ich mich davonstahl, um ein heißes Schaumbad zu nehmen. Ein köstliches Brot und eine köstlich duftende Köchin. Was konnte Tom Schulz sich mehr wünschen?
Besser dachte ich auch darüber nicht nach.
* * *
Zwanzig Minuten später hüllte ich mich in Daunenjacke, Fäus t linge und Ohrschützer. Nach einer Schonfrist von zwei Tagen hatten sich dichte, rauchgraue Wolken über die Berge gelegt. Im Laufe des Nachmittags war das Thermometer um sechs Grad g e fallen. Die Warnung der Morgenröte bewahrheitete sich. Als ich vor die Haustür trat, schneite es. Der eisige Wind ließ mich den warmen,duftenden Brotlaib an mich drücken. Dankbar sah ich Julian die Straße heraufkommen. Ohne ihm zu sagen, wohin ich wollte, bat ich ihn um seinen Range Rover mit Allradantrieb. Ich konnte mir schon vorstellen, plötzlich von einem Schneesturm überrascht zu werden und Schulz zu sagen: »Oh, ich fürchte, ich muss über Nacht bleiben.«
Den Rover zu wenden klang wie ein fortgeschrittenes Panze r manöver und fühlte sich auch so an. Als ich es schließlich g e schafft hatte, fuhr ich durch den dichter werdenden Schnee Richtung Hauptstraße und begann, mir Gedanken über meine B e ziehung zu dem Mordermittler zu machen.
Mit Schulz zusammen zu sein war wie … Ich lächelte, während ich den dritten Gang einlegte und durch eine lang gezogene Matschpfütze am Straßenrand schlitterte. Wie was, Mr. Perkins? Wie ein Rätsel, Sir.
Im Laufe meiner Scheidung hatte ich verschiedene Gefühl s stadien durchlaufen, die von Betäubung über Hass bis zu Unwillen gereicht hatten. In dieser Zeit hatte ich weder Kraft noch Lust zu Beziehungen. Ich hatte der Ehe abgeschworen, für immer und ewig. Und da ich eine gute Sonntagsschullehrerin war, ließ mir der Verzicht auf die Ehe keine sonderlich große Wahl auf dem Gebiet befriedigender körperlicher Beziehungen. Das war mir durchaus recht so. Dachte ich.
Nachdem der Kokon der Animosität sich abgenutzt hatte und John Richard nur noch ein Ärgernis war, mit dem ich mich al l wöchentlich herumschlagen musste, geschah allerdings etwas Merkwürdiges. Gar nicht so merkwürdig, vertrat Maria beharrlich bei unseren häufigen Treffen, bei denen wir, seine beiden Ex-Frauen, die Sucht nach ungesunden Beziehungen diskutierten. Jedenfalls fing ich an, unerwartete Wellen seltsam sexueller Regungen zu verspüren. Ich kannte Schulz bereits, hielt mich aber auf Abstand. Ich verliebte mich kurzfristig und ohne Körperkontakt (aber dennoch mit katastrophalen Folgen) in einen Psychologen aus dem Ort. Als Arch dann seine Schwimmstunden im Sportclub au f gab, stellte ich überrascht fest, wie sehr ich das ungezwungene Lächeln seines Schwimmlehrers vermissen würde. Und dann hatte es noch Archs Kunstlehrer in der Grundschule gegeben, dem ich gelegentlich geholfen hatte. Ich hatte mich selbst dabei ertappt, wie ich sein ansehnliches Hinterteil betrachtete, wenn er von einem Schüler zum anderen ging, um ihre Zeichnungen zu korrigieren.
Schäm
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