Untitled
dich! hatte Maria mich geneckt. Ihr waren solche Skrupel natürlich fremd. Maria vertrat die Devise, nach dem Kot z brocken wolle sie nicht nur der Ehe auf ewig abschwören, sie wolle dabei auch einen Riesenspaß haben. Und den hatte sie, während ich mit schlechtem Gewissen an den Schwimmlehrer und den Kuns t lehrer dachte.
Und dann traf ich Schulz. Schulz, der Autorität aus strahlte und meergrüne Augen hatte.
Im dichten Schneegestöber schaltete ich in den vierten Gang und dachte an das eine Mal im Sommer, als ich allein zu Tom Schulz’ Hütte vor der Stadt gefahren war. »Hütte« war ein viel zu ve r niedlichendes Wort für Schulz’ phanta stisches, zweigeschossiges Blockhaus, das perfekt gearbeitet war. Er hatte es bei einer Zwangsversteigerung erstanden, nachdem man den berühmten Bildhauer, der dort gelebt hatte, der Steuerhinterziehung überführt hatte. Während der Bildhauer jetzt Nummernschilder in einem Bundesge fängnis schnitzte, konnte Schulz die Probleme des Sheriffbüros hinter sich lassen und sich in seinen abgelegenen Ha fen der Ruhe zurückziehen zu seinen Felsen, Espen, Kie fern und seinem Panoramablick auf die kontinentale Wasserscheide.
An jenem Abend vor vier Monaten hatte Schulz mir ein einfach umwerfendes Essen gekocht, das mir geholfen hatte, mich von der damaligen Krise abzulenken; unter an derem ging es dabei um eine leidige Klage wegen Verstoßes gegen den Schutz von Handel s namen, angestrengt vom Partyservice Drei Bären in Denver. Zu keiner Zeit fand ich es unangenehmer, den Namen Goldy Bear zu tragen. An je nem Abend hatte unser Gespräch eine ernste Wendung ge nommen, als Schulz von seiner einstigen Verlobten sprach. Sie hatte vor zwanzig Jahren als Krankenschwester in Viet nam gedient und war im Artilleriefeuer umgekommen. Nachdem Schulz mir von diesem Teil seiner Vergangenheit erzählt hatte, war unerwartet Arch aufgetaucht, und unser persönliches Gespräch hatte ein abruptes Ende gefunden, als aus dem Essen zu zweit ein Abend zu dritt wurde.
Kurze Zeit später hatte der Mordermittler mich gefragt, ob ich mich nicht eines ganzen Berges von Problemen ent ledigen wolle, indem ich meinen Nachnamen in Schulz än dere.
Ich hatte nein gesagt.
So gern ich mit Schulz auch zusammen war, die Erinne rung an das emotionale schwarze Loch in meiner Ehe mit John Richard blieb. Viele allein stehende Freundinnen klag ten über Einsamkeit, seit sie geschieden waren. Doch meine schlimmsten Erfahrungen mit Einsamkeit, Lieblosigkeit und völliger Verlassenheit stammten aus der Zeit meiner Ehe. Ich machte die Institution dafür ve r antwortlich und nicht den Mann. Verstandesmäßig wusste ich, dass ich Un recht hatte. Gefühlsmäßig wollte ich aber nie wieder in eine Situation geraten, in der auch nur die entfernte Möglich keit b e stand, sich so erniedrigt zu fühlen.
Ich schaltete in den dritten Gang zurück und wühlte mich durch den tiefen Schneematsch auf der Schotterstraße. Ich dachte u n willkürlich zurück an John Richard und das Trom melfeuer seiner Schläge, an den Fausthieb auf mein Ohr, der mich quer durch die Küche geschleudert hatte, an meine Schreie und Fausthiebe gegen den Boden. Ich be gann zu zittern.
Ich fuhr an den Straßenrand und kurbelte das Seiten fenster herunter. Nimm es nicht so schwer, Mädchen. Der Schnee machte im Fallen ein sanft huschendes Geräusch. Ihm zuzuhören, die schneidend kalte Luft und gelegent lich eine eisige Schneeflocke in meinem Gesicht zu spüren vertrieb die hässlichen Erinnerungen. Ich sah hinaus in die weiße Landschaft und holte tief Luft. Und dann blieb mein Blick an etwas hängen, das auf der Straße lag, halb von Schnee bedeckt.
Es war ein toter Hirsch. Ich wandte mich abrupt ab. Der Anblick war mir unerträglich, und doch war es etwas, das man hier ständig sah, Hirsche und Wapitis, überfahren von Autos, die zu schnell waren, um auszuweichen. Manchmal lagen die zerschmetterten, blutigen Kadaver tagelang am Straßenrand und ließen mit ihren riesigen, braunen Augen jeden schmerzlich zusammenzucken, der sich von ihrem blicklosen Starren gefangen nehmen ließ.
O Gott, warum hatte ich Keith Andrews finden müssen? Hatte auch er die Erfahrung gemacht, zu glauben, dass man ihn liebte und bewunderte? Das schwarze Loch des Hasses war so plötzlich, so vorzeitig über ihn hereingebrochen, und jetzt waren seine Eltern auf der Rückreise aus Europa, um ihn zu begraben
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