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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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möchte hier nicht in die Details gehen, denn eigentlich ging es an diesem erinnernswerten Tag um etwas wesentlich anderes. Und das kam so:
    Senta Kustermann sagte: Sascha, den du ja auch kennst, hat einen Typen an der Hand, der ein neues Restaurant in dieser ehemaligen Ostdisco unterhalb der Wolf-Biermann-Brücke eröffnet: Direkt am Wasser, der Kronengrill. Wir gehen da heute mit zehn, zwölf Leuten hin und probieren das aus.
    Ich sagte: Bitte nicht.
    Freilich hatte ich bereits von diesem Restaurant gehört, aber mir war an diesem erinnernswerten Tag so überhaupt gar nicht nach ausgehen, sich betrinken und Anekdoten aufwärmen zumute. Und das, so stellte es sich besonders deutlich nach einem längeren Asienaufenthalt dar, ist nun mal das Ritual eines angekündigten Abends mit Freunden – von denen ich, by the way, bis auf meine Freundin Senta Kustermann keinen einzigen auch nur annähernd so gut kannte, dass ich ihn als Freund bezeichnen hätte können oder wollen, müssen, dürfen.
    Die von den bretonischen Designer-Brüdern Bouroullec geplante Einrichtung des Kronengrills erzwingt es, dass die Gäste nebeneinander an einer langen Tafel Platz nehmen. Die Tischgespräche sind dann nur noch mit dem Anrainermöglich. Neben mir saß demzufolge Senta, die ich ja bereits kannte und die, aus eben diesem Grund, eigentlich woanders sitzen wollte, was aber von der Frau des Feuilletonisten mit der Brian-Jones-Frisur verhindert wurde, die sich nicht gut fühlte, was man ihr tatsächlich auch ansah, und aus eben diesem Grund neben ihrem Mann sitzend verblieb. Zu meiner bereits erwähnten posturlaubialen Erschöpfung und der Raumkonzeption des Restaurants kam noch die namensgebende Küche des Kronengrills in einer mich als Gemüsefreund ermüdenden Funktion: Fleisch und wenn schon mal ein Fisch, dann hieß der Seezunge. Aber zum Essen war ich ja auch nicht gekommen – wozu eigentlich? Es gab einen Moment an diesem erinnernswerten Abend, als zwischen den Flaschenbieren und dem Rotwein zwei Frauen erschienen waren, die offenbar zu unserer Gruppe stoßen sollten oder wollten. Die eine davon war des Gastgebers Freundin Susanne, die mir tagsüber hin und wieder begegnet war. Die Danebenstehende im schwarzen Pilotenparka hatte ich zuvor noch nie gesehen.
    Nach dem Essen, das wirklich exzellente Gänge aufgeboten hatte, wollte ich unbedingt rasch bettwärts aufbrechen, denn ich hatte ziemliche Mengen eines ebenfalls exzellenten Spätburgunders eingenommen und fühlte mich dementsprechend müd. Aber es war Senta selbst, die mich abermals überredete, auf nur noch einen Drink mit in die Wohnung eines der Gäste mitzukommen, denn diese – so die dem Berliner Nachtleben eignende Logik – läge ja ohnehin auf dem Nachhauseweg.
    Was wirklich stimmte, allerdings verströmte dort alles – Einrichtung, Zuschnitt, Farben und Materialien – eine derart aufdringliche Langeweile, dass ich mir nur noch zu helfen wusste, indem ich tat, was ich in fremden Wohnungen immer tue: Ich scannte das Bücherregal. Der Mieter warangeblich ein Privatgelehrter, sein Name sagte mir allerdings überhaupt nix, doch nach kurzer Orientierungslosigkeit entdeckte ich in den bunten Reihen ein mir sehr liebes und wichtiges Taschenbuch: Geist-Seele-Eins von Plotin.
    Plo-tiehn!, wie sie mich korrigierte, die mir zur korrekt altgriechischen Aussprache verhelfen wollte, musste, durfte. Es war die Frau im schwarzen Parka, die neben mich getreten war. Da ich nichts über sie wusste, versuchte ich mich in Angeberei. Tatsächlich hatte ich dieses Buch einmal ansatzweise quergelesen, auf der Suche nach einer effektvollen Stelle, die ich für eine Schlagzeile in der Zeitung nutzen wollte. Und damals war ich dort, bei Plotin, auch tatsächlich fündig geworden, denn dieser Plo-tiehn! war angeblich des Schreibens nicht mächtig gewesen, weshalb er seine Eingebungen und Überlegungen den Eleven diktiert haben soll, was dann wiederum zu einer Art von Oral History – egal. Seine Art zu schreiben, schreiben zu lassen, passte jedenfalls ausgezeichnet in mein Manuskript – zumindest soweit ich das beurteilen konnte, oberflächlich betrachtet. Also sagte ich: Tja, diese Vorsokratiker Punkt Punkt Punkt.
    Und sie lachte sehr laut und mit offenem Mund, sodass ich einen Goldzahn zu sehen bekam: Neuplatoniker! Worauf ich natürlich widersprach – was wusste sie denn schon von der Philosophie?
    Wir gingen dann an den scheußlichen Beamtencomputer des Gastgebers, der zudem noch in einer

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