Untitled
Verwandtschaft ist es, daß der Kleine getauft wird. Gegenüber Lina macht Luigi seinem Herzen Luft:
Das sind doch herkömmliche Lügen, die heutzutage jeder praktiziert, und wenn man sich dagegen auflehnt, setzt man sich der Gefahr aus, als Irrer zu gelten oder Schlimmeres noch!
Für diese Geburt ist er in der Lage, noch jubelndere und vor allem absolut ungewöhnliche Töne zu finden. Er hat eine Vision in der Art von Pellizza da Volpedo: er, Luigi, der mit dem Jungen an der Spitze »einherschreitet«, dann folgen die Leidenden, die Krüppel, die Ausgestoßenen dieser Erde in einer lange Reihe hinter ihm.
Auch mystischsoziale Pläne von Wiedergeburt streifen ihn, aber sind nur von kurzer Dauer und finden auch keinen Niederschlag in dem, was er unterdessen schreibt.
Doch einer Sache ist er sich absolut gewiß: dieser Sohn, Stefano, soll sich zu keinem Zeitpunkt je als vertauschter Sohn empfinden, er wird nicht nur mit sich selbst ganz eins sein, sondern auch mit seinen Gedanken und Vorstellungen. Hier, das ist er, der Gefährte auf dem schwierigen Weg der Kunst, der seine Frau Antonietta nicht hat sein können, dieser Gefährte wird ganz sicher dieser Sohn. Sicher, Luigi weiß nur allzu gut, daß er ohne die Zinsen, die Don Stefano ihm monatlich anweist, nicht in der Lage wäre, allein die Last der Familie zu tragen: er dachte, er könnte die Hebamme mit dem Erlös aus der Veröffentlichung zweier Novellen bezahlen, aber es wird nur eine gedruckt. Und manchmal, trotz allem, was Antoniettas Mitgift einbringt, reicht das Geld nicht aus.
Dieses verdammte Geld wird immer der Nagel meines Lebens sein… Das ist demütigend! Und ich habe den Schreibtisch voller Manuskripte, die mich aus meiner Verlegenheit befreien könnten! Aber es gibt keinen Verlegerhund, der auch nur einen Soldo dafür bezahlen will… Für vierhundert Lire würde ich dem miesesten aller Teufel meine Seele verkaufen! Wie schade, daß die Zeit vorüber ist, in der die Teufel so miese Kerle waren, daß sie eine wertlose Seele für alle Schätze und Lustbarkeiten der Welt und des Lebens eintauschten! Ich hätte gerne einen derartigen Vertrag geschlossen und ihn, wie vorgeschrieben, mit dem Blut meiner Adern unterzeichnet. Was ist denn meine Seele schon wert? Nicht einmal einen Soldo, sagen die Verleger in Italien.
Gegen Ende 1895 tritt Calogero Portolano mit einem unglücklichen Einfall an ihn heran: er will das Geld der Mitgift zurück haben, denn er ist der Ansicht, daß Don Stefano riskante Spekulationsgeschäfte macht, die das Geld der Tochter durch den Kamin jagen. Auch wenn Portolanos Befürchtungen sich einige Jahre später als begründet herausstellen, hat er keinerlei Anspruch auf die Rückerstattung der Mitgift. Luigi explodiert.
Dieser widerliche Typ eines ganz und gar vulgären Mörders vergiftet die Milch, mit der Antonietta meinen Sohn nährt!
Doch Antoniettas Vater besteht nicht auf seiner Forderung, und Luigi überläßt Don Stefano weiterhin die Verwaltung der Mitgift.
Im Juni 1897 wird das Töchterchen Lietta in der neuen Wohnung in der Via Vittoria Colonna geboren, wohin die Pirandellos inzwischen umgezogen sind. Lietta wird vom Vater ungeheuer geliebt, doch zu ihr wird Luigi später ein schwieriges Verhältnis haben.
Mit Calogero Portolano scheinen sich die Dinge geregelt zu haben, denn Luigi, Antonietta und die Kleinen verbringen einige Sommer in Girgenti, im Ortsteil Bonamorone, wo sich das Landhaus der Portolanos befindet. Natürlich ist das Verhältnis zwischen Luigi und seinem Schwiegervater von kalter Förmlichkeit, auch wenn er sich gelegentlich zu einer subtilen Anspielung hinreißen läßt, die so subtil ist, daß Calogero sie nicht einmal bemerkt.
DER SOMMER 1899
Im Juni 1899 wird das letzte Kind des Ehepaars geboren,
Fausto. Alle Kinder von Luigi und Antonietta sind im gleichen Monat geboren. Und wie es ist, seit sie geheiratet haben: Antonietta möchte nach Sizilien fahren und den Sommer im Landhaus des Vaters verbringen, in Bonamorone. Nicht im Haus der Pirandellos in Caos. Auch wenn sie sich bei ihrem Vater und bei ihren Brüdern nicht vollkommen glücklich fühlt, so möchte Signora Pirandello doch mit ihrer Familie Zusammensein. Sie will sich damit ihrem Gatten gegenüber mehr oder weniger unbewußt schadlos halten, der in Rom die Gesellschaft von Freunden bevorzugt, zu denen sie keinerlei Beziehung hat. Daher soll ihr Gatte in Bonamorone im täglichen Umgang mit seinem
Weitere Kostenlose Bücher