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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Licht der Frühdämmerung ausfahren würden. Brenn schlug Arflane auf die Schulter. »Ich muß jetzt gehen. Für eine kurze Fahrt haben wir genügend Proviant an Bord. Ich habe mich sehr gefreut, Sie wiederzusehen.«
    Brenn verließ in Begleitung zweier seiner Harpuniere die Herberge. Mit Ausnahme von Urquart, Rorsefne und Arflane waren alle Gäste verschwunden.
    Flatch und drei seiner Töchter begannen mit den Aufräumungsarbeiten und richteten Tische und Bänke auf. Sie schienen so etwas gewohnt zu sein. Flatch selbst tat nicht viel, er führte die Aufsicht. Um die drei Männer kümmerte er sich nicht.
    Urquarts seltsame Haartracht warf einen großen Schatten gegen die Türwand.
    »Dann haben Sie also wieder einem Rorsefne geholfen«, murmelte Urquart. »Und Sie hatten wieder keinen Grund dazu …«
    Arflane rieb seine Stirn. »Ich war betrunken. Ich habe es nicht in seinem Interesse getan.«
    »Immerhin, es war ein guter Kampf«, sagte Manfred Rorsefne leichthin. »Ich wußte gar nicht, daß ich so gut kämpfen kann.« »Die Leute machten nur Spaß«, sagte Arflane sarkastisch.
    Urquart nickte zustimmend, sah Rorsefne an, und wiederholte: »Ja, sie machten nur Spaß.«
    »Dann war der Spaß nicht schlecht, Cousin.« Rorsefne erwiderte den Blick Urquarts. Die hagere Gestalt des großen Harpuniers blieb unbeweglich; seine schmalen Augen blickten in Türrichtung. Arflane fragte sich, aus welchem Grund Rorsefne Urquart ›Cousin‹ nannte, denn es war kaum anzunehmen, daß es zwischen dem Aristokraten und dem harten Harpunier irgendwelche Blutsbande gab.
    »Ich begleite Sie in die tieferen Etagen«, sagte Urquart langsam.
    »Wir gehen allein, Cousin, und dann werde ich Kapitän Arflane vielleicht doch die Nachricht übermitteln können.« Urquart zuckte die Achseln und verließ dann ohne ein weiteres Wort die Herberge.
    Manfred grinste Arflane an, der nur unmerklich das Gesicht verzog. »Ein finsterer Bursche, dieser Long Lance Urquart, wie? Wollen Sie mir jetzt zuhören, Kapitän? Ich möchte Ihnen nämlich sagen, weshalb ich gekommen bin.«
    Arflane spie in den Spucknapf und murmelte: »Das kann wohl nichts schaden.«

    Als sie vorsichtig die Rampe hinunterkletterten und dabei betrunkenen Walfängern auswichen, die sich auf dem Weg nach oben befanden, schwieg Manfred Rorsefne – und Arflane war zu müde, ihm Fragen zu stellen. Die Wirkung des Biers war verflogen, die Beulen und Schrammen an seinem Körper machten sich bemerkbar. Schemenhafte Gestalten der zu ihren Schiffen eilenden Walfänger tappten an ihnen vorbei. Nur gelegentlich wurden Rufe laut, sonst war nur das Schlurfen der Nagelstiefel zu hören. Hin und wieder mußte ein Mann nach dem Lederseil greifen, weil er zu nahe an den Rand der Rampe gekommen war. Es kam nicht selten vor, daß betrunkene Matrosen kopfüber in den geheimnisvollen Abgrund der Schlucht stürzten.
    Rorsefne sprach erst dann, als Arflane vor dem Eingang seiner Herberge stehenblieb und der letzte Matrose an ihnen vorbeigegangen war.
    »Meinem Onkel geht es besser. Er möchte Sie so rasch wie
möglich sehen.«
»Ihr Onkel?«
»Pyotr Rorsefne. Es geht ihm besser, wie gesagt.«
»Wann möchte er mich sehen?«
»Jetzt – wenn es Ihnen angenehm ist.«
»Ich bin zu müde. Diese Schlägerei …«
    »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht hineinziehen.«
    »Sie hätten nicht in die Shipsmasher-Herberge gehen dürfen, das wissen Sie.«
    »Stimmt. Es war mein Fehler, Kapitän. Wäre Cousin Urquart nicht mit der Nachricht hereingestürmt, hätte ich jetzt Ihren Tod auf meinem Gewissen …«
    »Unsinn«, sagte Arflane. »Warum nennen Sie Urquart ›Cousin‹?«
    »Das bringt ihn immer in Verlegenheit. Es ist ein Familiengeheimnis. Ich soll niemandem erzählen, daß Urquart der natürliche Sohn meines Onkels ist … Kommen Sie zu uns? Sie können auch dort schlafen, wenn Sie müde sind, und sich morgen mit meinem Onkel unterhalten.«
    Arflane zuckte die Achseln und folgte Manfred Rorsefne die Rampe hinunter. Er befand sich in einem betrunkenen Dämmerzustand und dachte nicht an Pyotr Rorsefne, sondern an dessen Tochter.

    5

    Das Bett war zu weich und zu warm. Konrad Arflane blickte benebelt in dem kleinen Raum umher. Die Wände waren reich mit auf Segeltuch gemalten Bildern verziert. Motive waren die berühmten Schiffe der Rorsefnes auf ihren Fahrten und Jagden. Da war ein Viermastschoner, der von gigantischen Landwalen angegriffen wurde, da war ein Kapitän, der mit einer vergifteten Harpune

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