Untitled
offensichtlich war sie bei einem Arzt gewesen und …
Oh mein Gott.
Sie hatte einen Schwangerschaftstest gemacht.
Max riss den verschlossenen Umschlag auf. Darin lag ein Brief. Er zerrte ihn heraus, schüttelte das Blatt auseinander und …
A.M.C. war tatsächlich das Kürzel für American Medical Clinic.
Auch darauf waren Ginas Name und ihre vorübergehende Adresse abgedruckt. »Sehr geehrte Patientin«, stand da.
Dann folgten etliche kleine Absätze in englischer Sprache. Im ersten stand, dass ihre Testergebnisse eingetroffen seien, doch welche Ergebnisse es waren, stand nicht darin.
Natürlich nicht.
Im zweiten wurde sie gerügt, weil sie zu einem verei n barten Termin nicht erschienen war, und es wurde ihr mi t geteilt, dass sie trotzdem bezahlen musste, weil sie nicht vie r undzwanzig Stunden vorher abgesagt hatte.
Aber der dritte Absatz war der Hammer. Darin wurde sie auf die große Bedeutung einer umfassenden pränatalen Fü r sorge hingewiesen.
Er las den Absatz noch einmal durch, aber das Wort stand immer noch da. Pränatal.
War Gina denn tatsächlich schwanger?
Obwohl, na klar. Das war eindeutig ein Formbrief. Das Datum des verpassten Termins – gestern – war von Hand ei n getragen worden.
Diese Art Frauenklinik nutzte wahrscheinlich jede G e legenheit, um auf die Bedeutung der pränatalen Fürsorge hi n zuweisen.
Das hatte gar nichts zu bedeuten.
Und selbst wenn sie schwanger war, na und? Wenn er die Wahl hatte, dann war sie ihm schwanger und lebendig jede r zeit lieber als nicht schwanger und tot.
Und trotzdem, wieso war er bloß so ein totaler, verflixter Idiot gewesen. Max musste den Kopf zwischen die Knie nehmen – er bekam plötzlich keine Luft mehr, fühlte sich so verdammt schwindelig. Sie wäre doch bei ihm geblieben, wenn er sie darum gebeten hätte. Sie wäre in Sicherheit g e wesen und …
Wenn sie geblieben wäre, dann wäre ihr Baby vielleicht von ihm.
Also, das war nun wirklich ein gruseliger Gedanke. Was, zum Teufel, sollte er mit einem Baby anfangen?
Doch die Frage war überflüssig. Sie war nicht geblieben.
Und allem Anschein nach war Max das gelungen, was er vorgehabt hatte: Er hatte sie endgültig aus seinem Leben ve r trieben. Hatte sie an einen anderen Mann verloren, der en t weder zu dämlich, zu selbstsüchtig oder zu gedankenlos g e wesen war, um sie vernünftig zu beschützen.
Es sei denn, sie liebte diesen Hurensohn und die Schwangerschaft war beabsichtigt gewesen.
Aber wenn das so war, wieso war er dann nicht mit ihr z u sammen gereist? Und wer, zum Teufel, war diese Frau, die sie begleitete?
Abgesehen von den Kleidungsstücken gab es nichts in diesem Zimmer, was einen Hinweis auf ihre Identität hätte geben können.
Ginas Quittungen hatte Max gefunden. Aber wo waren ihre?
Er stand vom Bett auf, um seine Suche fortzusetzen, und fing mit den Abfallkörben an.
Kenia, Afrika
23. Februar 2005
Vor vier Monaten
David Jones war tot.
Damit Molly diese bestürzende Nachricht halbwegs ve r kraften konnte, übernahm Gina ihre Schichten im Kranke n haus.
Sie hatte außerdem vorgeschlagen, heute Nacht eine Totenwache zu halten. Nur sie beide, eine Flasche Wein, die Schwester Helen zu diesem Zweck gestiftet hatte, und säm t liche Geschichten, die Molly, ohne rot zu werden, von der viel zu kurzen Zeit mit dem Mann, den sie liebte, erzählen konnte.
Molly war einverstanden gewesen – gute Idee, aber sie hatte eine Überraschung für Gina parat gehabt. Zwei Übe r raschungen.
Erstens die Neuigkeit, dass sie trockene Alkoholikerin war und deshalb auf den Wein verzichten wollte, aber danke trotzdem.
Diese Information, so dachte Gina anschließend, war eigentlich doch keine so große Überraschung. Molly hatte ihr erzählt, dass sie zu Beginn ihrer Karriere als Katastrophe n helferin der Prototyp einer Typ-B-Freiwilligen gewesen war. Eine Schwangerschaft im Teenageralter, das Baby zur Adoption freigegeben, ein toter Geliebter … Molly hatte jahrelang mühsame Kämpfe hinter sich gebracht, bevor sie ihren Weg gefunden hatte.
Die zweite Überraschung war, dass Molly Leslie Pollard zu der Totenwache einladen wollte.
So seltsam ihr das auf den ersten Blick auch vorkam, so schnell erkannte Gina, dass Molly nicht nur Geschichten über Jones erzählen wollte. Sie wollte auch Geschichten über ihn hören. Und der stammelnde Brite mit den strähnigen Haaren hatte den Mann, um den es ging, gekannt. Oder ihn immerhin ein paar Mal gesehen.
Heute Abend würde
Weitere Kostenlose Bücher