Untitled
das Jur a studium an der NYU sagen – sie wusste es. Und dann konnte sie sich nicht länger zurückhalten und würde sich doch noch aufregen und …
Letztendlich würde sie völlig aufgewühlt aus dem Zimmer gehen. Aber dafür war der Abend einfach zu schön gewesen, auch wenn sie selbst den größten Teil des Gesprächs bestritten hatte.
»Und womit befriedigst du dann deine kreative Seite?«, fragte sie ihn, noch bevor er etwas Dummes sagen konnte.
»Was?«
Sie hatte ihn verwirrt. Gut. »Seitdem du die Geige au f gegeben hast«, erläuterte sie. »Wenn ich mein Schlagzeug nicht hätte, ich würde wahnsinnig werden.«
»Du hast dein Schlagzeug ja gar nicht hier«, machte er ihr deutlich. »Das steht doch in New York.«
»Ja, ja«, sagte sie. »Aber ich habe da ein Tonstudio en t deckt, ungefähr zwei Straßenblocks von Jules’ Wohnung en t fernt. Dort steht eins, und Ernie, der Besitzer, hat nichts d a gegen, wenn ich außerhalb der Stoßzeiten ab und zu vorbe i komme und … Habe ich dir das gar nicht erzählt?«
»Nein.« Max runzelte die Stirn. »Ernie?«
»Ooh.« Sie küsste ihn. »Eifersüchtig?« Sie wartete die Antwort nicht ab. »Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Also lenk nicht ab. Was machst du Kreatives? Schreibst du Gedichte? Oder – ich weiß – du klebst Sammelbilder ein, stimmt’s?«
Er lachte, genau wie sie gehofft hatte. »Ja, genau, in meiner gesamten kostbaren Freizeit.«
»Ich meine es ernst«, sagte sie. »Hast du jemals probiert zu malen oder Skulpturen zu machen oder …«
»Manche Menschen sind dafür geboren, Kunstwerke zu schaffen, und andere dafür, im Publikum zu sitzen.«
Gina setzte sich auf und schaute ihn an. »Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?« Sie war empört. »Das ist genau so bescheuert, wie einem Kind zu sagen, dass es erst die Geige beherrschen muss, bevor es Gitarre spielen darf. Das sind im Übrigen zwei vollkommen unterschiedliche Instrumente …«
»Pssst«, warnte er sie mit einem Lächeln. »Hier gibt es Leute, die schlafen wollen.«
»Ich liebe dein Lächeln«, sagte sie. »Du lächelst viel zu selten.«
Und sofort war das Lächeln verschwunden. »Ich weiß«, entgegnete er. »Tut mir leid.«
Und so waren sie an dem Punkt angelangt, wo sie einander schweigend in die Augen blickten.
Müde. Und ängstlich. Zumindest sie war ängstlich. Unsicher. Emotional ausgelaugt, weil sie in seiner Nähe die ganze Zeit so verdammt vorsichtig sein musste. Und voller Furcht, dass er ihr irgendwann eröffnen könnte, dass es jetzt reichte und die Sache mit ihnen nicht weitergehen konnte.
Sie hatte einfach keine Ahnung, was er fühlte, weil er nie mit ihr darüber reden würde.
Bitte, flehte sie den heiligen Elvis an, gib mir ein Zeichen … Max brauchte ihr nicht unbedingt zu sagen, dass er sie liebte, aber es würde garantiert auch nichts schaden.
Dass sie beide nackt waren und in seinem Bett lagen, hatte sicherlich auch etwas damit zu tun, aber wie immer, wenn sie einander so anschauten, funkte es zwischen ihnen. Es blitzte und krachte und prasselte um sie herum.
Was machen wir eigentlich hier, Max? Diese Frage stellte Gina ihm nicht. Stattdessen sagte sie: »Es ist schon spät.«
»Ja«, stimmte er ihr zu. Und dann überraschte er sie. Er sang ihr tatsächlich etwas vor. Leise und ein klein wenig u n sauber, aber eindeutig eine Elvis-Imitation. »Lord Almighty, I feel my temperature rising …«
Gina lachte.
Max streckte die Arme nach ihr aus. Die Glut in seinem Blick sagte ihr, dass sie nirgendwo hingehen würde.
Nicht in nächster Zeit jedenfalls.
Hotel Elbehof, Hamburg, Deutschland
21. Juni 2005
Gegenwart
Gina saß nicht in ihrem Zimmer im Hotel Elbehof und wartete auf ihn.
Damit hatte Max auch nicht ernsthaft gerechnet.
Aber, mein Gott, er hatte es gehofft. Und wie er es gehofft hatte!
Direkt hinter der Tür lag ein Briefumschlag auf dem Boden. Bestimmt eine Hotelrechnung, die unter der Tür hi n durchgeschoben worden war. Max hob sie beim Betreten des Zimmers auf.
Er zog die Tür hinter sich ins Schloss und machte sich nicht die Mühe, das Licht einzuschalten – die Vorhänge waren offen, und die beiden fein säuberlich gemachten Betten wurden von der Spätnachmittagssonne beschienen. Es war ein typisches Hotelzimmer: Betten, Kommode, Schreibtisch mit Telefon, Fernseher. Viel zu weich gepolsterter Stuhl und eine Stehlampe. Frühstückstisch und Stühle beim Fenster.
Die Inneneinrichtung war absolut austauschbar – er
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